Wien - Drei Jahre lang - von 1979 bis 1982 - lebte er mit den "Indianern am Berg", in einer kleinen Gemeinde von Bergbauern in der Steiermark. Der Film, der aus dieser Langzeitbeobachtung entstand, heißt Himmel und Erde , womit der ganzheitliche Ansatz, den Michael Pilz mit dieser "Dokumentation" verfolgte, schon umrissen ist: Die menschliche Existenz - vom freien Spiel bis zur schweren Arbeit - eingebunden in den Kreislauf der Natur beschreibt er in Form einer Phänomenologie kostbarer (Sinnes-)Eindrücke. Der "Ordnung der Dinge", dem ersten Teil dieses fast fünfstündigen Films, ist ein Motto des chinesischen Dichters Laotse vorangestellt: "Nimm das, was vor dir ist, so, wie es ist/Wünsch es nicht anders, sei einfach da." Sei einfach da - dieser Imperativ könnte über allen Filmen von Pilz stehen, versteht man darunter ein wachsames Ruhen des Blicks, der Nähe sucht, ohne Intention zu sein, der von innen kommt und daher oft im genauen Hinhören seinen Ausgang nimmt. Der Österreicher Michael Pilz, geboren 1943 in Gmünd, hat seit den frühen 60er-Jahren bisher an rund 50 Filmen mitgewirkt - bei den meisten davon erfüllte er alle Funktionen selbst. Seine Auseinandersetzung mit dem Laufbild ließe sich als allmählicher Rückzug in die Privatheit beschreiben: Zuerst filmte er auf 8-mm, dann auf 16-mm, in den 70er-Jahren gar als ORF-Mitarbeiter, um sich nunmehr ganz auf Videoarbeiten zu beschränken, die ihm allen kreativen Freiraum ermöglichen. Dass Pilz bis heute nur einer Gemeinschaft von Eingeweihten ein Begriff ist, liegt wohl daran, dass er, rigoros am "Markt" vorbei, etablierte dokumentarischen Formate umgeht: Prisjadim na dorozku , eine Reisefilm, der bis nach Sibirien führt, dauert etwa nicht weniger als zehn Stunden. Außerdem öffnet sich bei ihm das Dokumentarische oft hin zum Experimentellen: Schon im zweiten Teil von Himmel und Erde wird die Form elliptischer, Szenen kehren in Zeitlupe wieder, tägliche Verrichtungen treffen lyrische Landschaftsbilder. Seine jüngsten Arbeiten setzen diesen reduktionistischen Kurs konsequent weiter fort. In Pieces of dreams beobachtet Pilz den Theaterregisseur Jack Garfein dabei, wie er in einem Hotelzimmer über Ohio Impromptu , einem späten Beckett-Drama, ins Grübeln gerät, und schöpft dabei ganz im Sinne des Dichters alle Möglichkeiten eines Raumes aus. Die Reisefilme Indian Diary und La Habana setzen sich wiederum aus meditativen, oft minutenlangen, nur scheinbar unbedeutenden Impressionen der Fremde zusammen - aber bei Pilz ist alles signifikant, wohin auch immer er schaut, da ist etwas. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10./11. 2. 2001)