Alternativen zur "Abschaffung einer so genannten Kulturnation": Ein Nachtrag zum Kommentar von Kurt Jungwirth ("Österreich kulturell: Adieu, Paris"). Von Clemens Ruthner Im Wiener Außenministerium ist wieder einmal Welt-Spartag. "Rationalisiert" wird aber nicht etwa dort, wo es wirklich sinnvoll wäre: Bei Botschafterprivilegien etwa - Residenzen, Hauspersonal und "Repräsentationskosten" - jenen anachronistischen Überbleibseln eines längst verflossenen Feudalismus. Oder bei den Vertretungen im Ausland, die man fallweise leicht mit denen anderer EU-Staaten zusammenlegen könnte - zumindest architektonisch. Ganz zu schweigen von den überflüssigen Konsulaten, die es mancherorts rein aus historischen Gründen gibt. Hier wären in Summe viele Millionen zu holen. Schiefe Optik Schüssels Sparefroh hat ein ganz anderes Objekt im Visier: die gute alte Schwachstelle "Kultur". So soll in nächster Zeit das traditionsreiche österreichische Kulturinstitut in Paris aufgelöst werden (jährliche Kosten: 11,5 Mio. Schilling Personal- und Sachaufwand, 3 Mio. Veranstaltungsbudget). Auch andere Kulturinstitute wie Mailand und Istanbul sind gefährdet - sie sollen vorerst evaluiert werden. Gleichzeitig sinkt das operative Budget des Außenministeriums Kulturarbeit im Ausland beharrlich: Die 85,5 Mio. Schilling von 1996 sind drei Jahre später auf 75 Mio. geschmolzen, und der Abwärtstrend bleibt. Den Verantwortlichen scheint auch egal zu sein, dass Frankreich die Schließung des KI Paris - allen gegenteiligen Beteuerungen zum Trotz - als "Rache" für die EU-Sanktionen verstehen wird. Dass dafür eine "starke Kulturabteilung" an die Botschaft kommen soll ist ein schwacher Trost, denn die Open-House-Mentalität von Kulturschaffenden und das High-Security-Bedürfnis einer Botschaft wollen sich häufig nicht so recht vertragen: Bibliotheken und Kultur gedeihen nicht gut hinter Panzerglas. Selbst wenn man der Kultursektion im Außenministerium nicht Böswilligkeit unterstellen will, so ist keineswegs einsichtig, warum alles so und nicht anders laufen soll. Der Verkauf des KI-Gebäudes am Pariser Boulevard des Invalides drängt sich zwar schon lange auf: Die Immobilie ist wertvoll, aber verfallen, und liegt in einem für Kulturzwecke eher ungeeigneten Viertel. Man könnte das Haus aber teuer verkaufen, und mit dem Erlös eine große Wohnung in einer besser geeigneten Gegend anschaffen. Oder noch besser: das ganze KI mitsamt seiner umfänglichen Bibliothek als Österreich-Institut an eine Pariser Uni verlegen, die bereit wäre, bei Österreichstudien mitzumachen und Veranstaltungsräume zur Verfügung zu stellen - "Synergieeffekte" heißt das Zauberwort, das oft bemüht, aber selten umgesetzt wird. Der Staat indes zieht es anscheinend vor, sein Familiensilber zu verschleudern, als säßen ihm Spielschulden-Eintreiber im Nacken. Mit einer gewissen Häme ließe sich sagen: Hat man früher von außen herangetragene Projekte seitens des Außenministeriums immer mit dem Argument abgeschmettert, "dass ja dann ein jeder kommen könnte", so werden jetzt wortreich "regionale Initiativen" beschworen (ZiB1-Interview mit Sektionschefin Monika Kalista, 23. 1. 2001). Reformieren ... Man könnte dies freilich auch als ernst zu nehmenden Ansatz zum Umdenken werten. Dann aber bedürfte es keiner Schließungen und Panikverkäufe, sondern eines Konzeptes, das die gesamte Auslandskulturarbeit umfasst, und das offizielle Credo einlöst, wonach diese ein "zentraler Teil der Außenpolitik" ist und die Aufgabe hat, "eine Serviceeinrichtung für interessierte österreichische Personen und Institutionen zu bieten, um die Möglichkeiten zu fördern, mit Partnern im Ausland in Kontakt zu treten." Und wie kommt man vom Wort zur Tat? So zum Beispiel: Österreich muss Formen des kulturellen Dialogs verstärken und endgültig weg von jeglicher Art von subventionierter (Re-)Präsentationskultur im Ausland, die nationale Klischees ausstellt nach dem Motto: "Du darfst mir zuschauen, wie gut ich bin". Unabdingbar ist die Schaffung eines eigenen Kulturministeriums, in dem auch die Kultursektion des Außenamts wieder aufgeht (um so zu verhindern, dass diese Aufgabengebiete als sekundär angesehen werden). An die Stelle der bisherigen Kulturinstitute sollte ein internationales Netzwerk von Österreich-Lehrstühlen, -Zentren und -Bibliotheken treten, die in Zusammenarbeit mit lokalen Partnern aus dem Wissenschafts- und Kulturbereich betrieben werden. Diese Institutionen müssen entbürokratisiert werden, Budgethoheit bekommen, und sollten nicht von Diplomaten geleitet werden, sondern von Personen aus dem freien Kulturmanagement (mit vernünftigen Zeitverträgen). Das entstehende institutionelle Netzwerk müsste durch ein Internetportal für österreichische Kultur medial zusammengeschaltet und gebackupt werden. Zur Unterstützung und Koordination der Auslandskulturarbeit im Inland haben sich bestehende insuläre bis obskure Vereinchen und Firmchen wie zum Beispiel die "Österreich-Kooperation" (für Auslandslektorate an den Unis) und das "Österreich-Institut" (für den Sprachunterricht im Ausland) als ungeeignet erwiesen; erstrebenswert wäre hier die Einrichtung einer Wissenschaftsstiftung für das Ausland und einer Kulturstiftung nach Schweizer Vorbild (Stiftung Pro Helvetia). ... statt Demontieren Seit 1995 wird das erwähnte Lektorenprogramm wieder abgewrackt, das junge österreichische Akademiker/ innen an ausländische Universitäten verschickt - obwohl diese mancherorts mehr als 50 Prozent der österreichischen Bildungs- und Kulturarbeit leisten! Das kostengünstige und erfolgreiche Konzept bedarf also nicht der Demontage, sondern eher der Restrukturierung und einer besseren Integration in einen österreichischen Auslandskulturplan, der geographische Schwerpunkte festlegt. Insgesamt gilt es, jener neoliberalen Zwangsvorstellung zu begegnen, die nicht erst seit Zeiten des "Nulldefizits" grassiert: dass wildes "Zusperren" auf staatlicher Ebene irgendetwas bringt. Tatsächlich wird damit nur eine Vogel-Strauß-Taktik (weiter)verfolgt, die die Probleme nicht mehr sehen will, die sie selbst geschaffen hat - zum Schaden aller Beteiligten. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13. 2. 2001)