Die Justiz wirft der Wiener Fremdenpolizei einen „überaus leichtfertigen Umgang mit der Freiheit des Menschen„ vor und verdonnert die Republik. Der belastende Polizist ist kein Unbekannter. Es ist wohltuend, dass hier jemand klare Worte gefunden hat, sagt Rechtsanwalt Wilfried Embacher. Manchmal braucht es einen Zivilrichter vom Oberlandesgericht, um grundrechtliche Abgründe in Wiens Polizeiwachstuben zu erkennen. Ein so überaus leichtfertiger Umgang mit der Freiheit eines Menschen kann in der österreichischen Rechtsordnung nicht als vertretbar angenommen werden, schrieb Richter Christian Walterskirchen in sein Urteil. Er beurteilte eine Routinekontrolle die an Amtsmissbrauch und fahrlässige Freiheitsentziehung denken lässt und bislang nicht wirklich geahndet wurde. Die Vorgeschichte: Seit zwei Jahren prozessiert ein malaysischer Koch vertreten durch den Rechtsanwalt Embacher - gegen die Republik. Er wurde in seinem Restaurant verhaftet, gefesselt und vier Tage eingesperrt. „Ohne stichhaltigen Grund“, wie im Akt später festgestellt wird. Doch die Republik ersetzte dem unschuldigen Mann nicht einmal die 13.000 Schilling Prozesskosten, für die er aufkommen musste, um gegen seine rechtswidrige Festnahme ankämpfen zu können. Nun hat er sie rückerstattet bekommen. Mit einer Urteilsbegründung, die die Fremdenpolizei, das Innenministerium und wahrscheinlich auch die Staatsanwaltschaft beschäftigen wird. Im Herbst 1998 steht der Koch Li K. (Name geändert) wie jeden Tag in der Küche seines Chinarestaurants im siebten Bezirk. Seit Jahren lebt und arbeitet er legal in Österreich. Auch Andreas R., mittlerweile versetzter Gruppeninspektor der Wiener Fremdenpolizei, ging an diesem Abend seiner Arbeit nach. „Ausweiskontrolle!“ Der Koch weist seinen Reisepass vor. „Gefälscht !“, sagen die Beamten. Nun hätten sie via Funk bei den zuständigen Kommisariaten die Sache klären können. Doch es kam anders. Zur Vermeidung eines Fluchtversuches so das Protokoll, fesseln sie dem Koch im Lokal die Hände und bringen ihn ins Polizeigefangenenhaus. Dort verschwindet er in einer Zelle. Bei der Einvernahme bestreitet der Koch alle Vorwürfe. Seit Jahren würde er den Pass vor Fremdenbehörden verwenden. Nie hätte es Probleme gegeben. Keine Chance. Der Beamte Andreas R. protokolliert: „Er wollte / konnte keine glaubhafte Angaben machen.“ K. sei „ohne Nachweis ausreichender Mittel für den Unterhalt“ angetroffen worden. Die Beamten verabschieden sich ins Wochenende. Der Koch bleibt in Haft. Vier Tage, solange dauert es, bis die Beamten im Computer feststellen, dass der Mann legal in Wien lebt. „Es wäre den Organen ohne weiteres möglich gewesen, die Frage der Fälschung (...) sofort vor Ort zu klären“ , schreibt das OLG nun ins Urteil. Andreas R. ist kein Unbekannter in der Wiener Polizei, Kollegen nennen ihn bisweilen "Rambo". Bereits im Sommer 1998 machte er Schlagzeilen, als er den Pass einer Chinesin im Chinarestaurant „Schöne Perle“ zu Unrecht für gefälscht erklärte. Die Chinesin behauptete, anschließend von R. verprügelt worden zu sein. R. beklagte einen Tritt in die Hoden. Die Chinesin wurde wegen "Widerstands" zu neun Monaten verurteilt. Das Verfahren gegen R. wurde eingestellt. Später wurde R. von der Fremdenpolizei versetzt. Aber er machte wieder Schlagzeilen: Als Mitglied jener vermummten Truppe der Sondereinheit SEK, die einen unbewaffneten Opernballdemonstranten mit gestreckter Waffe aus einem Wagen zog. Im Sommer vergangenen Jahres war er bei jener skandalösen Razzia dabei, bei der der Österreicher Imre B. von einem Kollegen erschossen wurde. Wegen fahrlässiger Freiheitsentziehung wurde R. bislang nicht belangt. Er versieht weiter Dienst. Vorvergangene Woche etwa kümmerte er sich um den Saalschutz beim Parteitag der FPÖ. (Falter, 14.2.2001)