Wien - Koalitionär verbunden, aber ideologisch weit voneinander entfernt: So zeigen sich ÖVP und FPÖ in der aktuellen Diskussion über die Sanierung der Krankenkassen und das Versicherungssystem an sich. Unversehens sind die beiden Koalitionspartner wie-der einmal in die Rolle der politischen Gegenspieler geschlittert. Jüngster Streitpunkt ist die Frage, ob die Pflichtversicherung erhalten bleiben oder doch lieber zur Versicherungspflicht gewechselt werden soll. Die FPÖ votiert seit langem für einen Wechsel zur freien Kassenwahl. Dann wäre nur noch eine verpflichtende Versicherung für alle vorgeschrieben. Wo sich jemand versichert, wäre im freien Ermessen eines jeden. Auch die Versicherer könnten frei um ihre potenziellen Kunden buhlen. Das derzeitige System der Pflichtversicherung ordnet die Versicherten aufgrund ihrer Berufsbranche einem bestimmten Versicherungsträger fix zu. Nicht mit uns, stellte dazu VP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat Donnerstag klar. Mit ihrer Partei werde es "kein Abgehen von der Pflichtversicherung geben". Die FPÖ könne ja trotzdem weiterhin für ihr Konzept der Versicherungspflicht werben, aller dings: "Solange wir in einer Koalition sind, wird das sicher in keinem Koalitionsabkommen stehen." Das derzeitige Versicherungssystem - inklusive der Selbstverwaltung, die laut Rauch-Kallat auch erhalten werden soll - verkörpere "in nahezu idealer Weise" das Solidaritätsprinzip. Bei einem Wechsel zur Versicherungspflicht drohe hingegen eine Zweiklassenmedizin, warnte die VP-Generalsekretärin. Damit handelte sich Rauch-Kallat aber prompt von ihrer Amtskollegin in der FPÖ, Generalsekretärin Theresia Zierler, eine Rüge ein: "Voreilige Aussagen", meinte Zierler, die "einzig und allein zur unnötigen Verunsicherung der Patienten" gereichten. Rauch-Kallat möge doch bitte nicht der Expertengruppe im Sozialministerium vorgreifen, die gerade prüfe, welches System das beste sei. Mehr Tempo wünschte sich indes FP-Klubchef Peter Westenthaler bei der Neubesetzung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger. Die Nachfolger des derzeitigen Präsidiums sollten bereits mit 1. März ihre Arbeit aufnehmen. Sozialminister Herbert Haupt (FP) agiere in der Angelegenheit im Übrigen "ganz hervorragend". (nim/DER STANDARD, Printausgabe, 6.2.2001)