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Prag - Die tschechische Regierung verstärkt ihre Bemühungen zu einem raschen Abschluss der EU-Beitrittsverhandlungen. Seit Anfang Februar ist eine diplomatische Offensive in Brüssel im Gang, mit der das Land sein Interesse am Beitritt zu der Union demonstrieren will. Mit Beginn der schwierigsten Verhandlungsphase, etwa zum Thema Landwirtschaft, hat Prag nach Ansicht von Beobachtern "eine Reihe von Bauern geopfert, um dafür die Partie zu gewinnen". Konkret geht es um ein Paket wichtiger Zugeständnisse Tschechiens bei den heftig umstrittenen Übergangsfristen. "Nichts ist einfacher als jetzt zu behaupten, dass wir keine Übergangsfristen wollen, und dann jahrelang seufzen, was wir getan haben. Man muss aber auch an die längerfristige Zukunft denken, nicht nur an den augenblicklichen Verhandlungserfolg", erklärte der sozialdemokratische (CSSD) Ministerpräsident Milos Zeman. Die Regierung in Prag schuf daher zuletzt zwei Kategorien: in einem Bereich wurden Übergangsfristen als "unverzichtbar" definiert, in anderen aber als "entbehrlich". Tschechien unter Zugzwang Mehrere Gründe stehen hinter dieser Haltungsänderung. Einer ist die Rivalität Prags mit den aussichtsreichsten EU-Beitrittskandidaten Ungarn, Polen und Slowenien, die ähnliche Pläne haben. Tschechien will sich von ihnen nicht überholen lassen. Zweitens weiß man in Prag - und mehrere EU-Politiker haben das auch schon angedeutet -, dass das heurige Jahr für den Beitrittsprozess "entscheidend" sein wird. In Tschechien will man immer noch hören, was man sich schon vom EU-Gipfel in Nizza erhoffte: die vorläufigen Beitrittstermine für die ersten neuen EU-Mitglieder. Spätestens unter der belgischen EU-Präsidentschaft soll es so weit sei, hofft man in Prag. Außenminister Jan Kavan drückt nun mächtig aufs Tempo. Noch die Regierung Zeman, deren Amtszeit in 16 Monaten endet, wolle die Beitrittsverhandlungen abschließen und den Vertrag mit den "Fünfzehn" unterzeichnen. Die nächste Regierung könnte dann das Dokument den Wählern in einer Volksabstimmung noch im zweiten Halbjahr 2002 vorlegen. Die Initiative der Regierung wird im Prinzip auch von der Opposition stillschweigend akzeptiert. Modifikationen im Finanzbereich Im Konkreten will Tschechien nicht mehr eine Übergangsfrist verlangen, in der eine niedrigere Mehrwertsteuer für Dienstleistungen im Bereich Telekommunikation einzuführen ist. Auch auf eine niedrigere Verbrauchersteuer bei Treibstoffen will man verzichten. Der Energiemarkt soll sofort nach dem EU-Beitritt und nicht erst nach einigen Jahren liberalisiert werden, Forderungen nach Ausnahmen beim Umweltschutz sollen zurückgezogen werden. Als "unentbehrlich" sieht Prag hingegen die Frage der Kapitalverkehrs an und will hier kompromisslos bleiben. Für die Dauer von zehn Jahren nach dem EU-Beitritt sollen Ausländer keine Möglichkeit haben, landwirtschaftlichen Boden zu erwerben. Für den Erwerb von Immobilien als Zweitwohnsitz sollte eine fünfjährige Frist gelten. Man fürchtet die stärkere Kaufkraft der westlichen Nachbarn. Bei der Einhaltung einiger Umweltvorschriften, die Kosten in Milliardenhöhe verursachen würden, sollte die EU zunächst die "Augen zudrücken", will Prag. Weitere Zugeständnisse Weitere Zugeständnisse Tschechiens werden nicht ausgeschlossen. Dabei denkt man auch an die Position verschiedener EU-Staaten: in Prag rüstet man sich beispielsweise schon vehement gegen die Forderungen aus Deutschland und Österreich nach einer siebenjährigen Übergangsfrist für die völlige Bewegungsfreiheit am Arbeitsmarkt. Eine deutlich kürzere Frist wäre aber vielleicht akzeptabel. Prags "Herr Europa", Verhandlungsleiter Pavel Telicka, will zunächst nicht über einen Tauschhandel reden, denn dafür sei die Zeit noch nicht reif. Doch schließt er nicht aus, dass Tschechien in der Schlussphase der Verhandlungen noch irgend wo "Ja" sagen wird, wenn umgekehrt dasselbe auch die EU anderswo machen wird. (APA)