London - Die afrikanischen Wildhunde (Lycaon pictus) gehen offenbar unaufhaltbar ihrem Aussterben entgegen. Das hat viele Gründe, sie wurden überjagt, von Haushunden mit Krankheiten infiziert, und Impfungen gegen diese Bedrohung haben sie in noch größeren Stress versetzt. Aber daran allein liegt es nicht: Ihre Zahlen sinken auch in geschützten Regionen, in denen sich andere bedrohte Arten rasch erholen, dramatisch. Das liegt vermutlich an "Allee-Effekten", die nach einem US-Forscher benannt sind, der sie vor 50 Jahren postulierte: Demnach sind manche Arten schlicht dadurch zum Aussterben verurteilt, dass ihre Zahl unter einen Schwellenwert sinkt, der durchaus hoch sein kann. Das leuchtet intuitiv für extrem dezimierte und verstreute Arten ein wie fluglose Papageien in Neuseeland - von denen es noch 54 Exemplare gibt - oder Blauwale, die sich schlicht schwer tun, überhaupt noch Partner zu finden. Und umgekehrt zeigt sich auch bei dicht zusammengeballten Arten - Flamingos etwa und Pinguinen - eine Paarungsunlust, wenn die Schwärme zu klein werden: Diese Tiere bringen ihre Jungen gleichzeitig zur Welt, und nur wenn es genug sind, überleben auch genug die Räuber. Dieses Wissen haben die Tiere in den Genen, und sie wenden es auch dann an, wenn gar keine Räuber da sind, weshalb Zuchtversuche in Zoos oft misslingen. Aber generell wurden "Allee-Effekte" von Biologen eher abgelehnt: Bei geringer Populationszahl und gutem Schutz ist theoretisch mehr Futter für die Verbliebenen da. Aber in dieser Rechnung fehlt das Sozialverhalten: Wildhunde jagen in Rudeln von mindestens zwölf Tieren. Teufelskreis Ihre Jungen wandern in Sechser-Clans aus, nach Geschlechtern getrennt. Treffen sie sich, bilden sie ein neues Rudel. Sind die Rudel einmal zu klein - für die anstrengende Jagd und die Verteidigung der Beute gegen Löwen und Hyänen -, werden sie automatisch immer noch kleiner, erjagen weniger, ziehen weniger Junge groß, die bilden kleinere Clans, und so weiter im Teufelskreis des Verschwindens. Was nun erstmals an den Wildhunden gezeigt wurde, hat Konsequenzen nicht nur für sie im Besonderen und den Artenschutz im Allgemeinen, es ist auch für die Wiederansiedlung regional verschwundener Arten wichtig: Oft scheitert sie, offenbar an zu geringen Zahlen. Daran kann auch etwas ganz anderes scheitern, der biologische Pflanzenschutz, der Schädlinge durch Freisetzung ihrer Feinde dezimieren will. (New Scientist, Nr. 2276, S. 39) (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16. 2. 2001)