Wien - Die Vertreter der Sozialpartner haben Mittwoch Nachmittag beim zweiten Krankenkassengipfel ihr gemeinsames Reformpapier an Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck übergeben. Zur Bewältigung der Finanzengpässe in der Krankenversicherung werden Maßnahmen, die insgesamt vier Mrd. S einbringen sollen, empfohlen. Zur Begleichung kurzfristiger Engpässe sollen die finanzstärkeren Krankenkassen im Rahmen eines Darlehens mit Rücklagen den finanzschwachen Trägern aushelfen. Sozialminister Herbert Haupt konnte an der Sitzung gesundheitsbedingt nicht teilnehmen. Festgelegt werden soll auch der tatsächliche Finanzierungsbedarf für die kommenden Jahre. Während Hauptverbandspräsident Hans Sallmutter zuletzt ein Defizit von 5,8 Mrd. S für 2001 prognostizierte, geht Wirtschaftskammer-Generalsekretär Reinhold Mitterlehner nur von einem Abgang von rund vier Mrd. S aus. Auch Waneck glaubt, dass die vom Hauptverband angegebene Zahl etwas zu hoch gegriffen ist. Milliardeneinsparungen Unter den von den Sozialpartnern angestrebten mittelfristigen Maßnahmen findet sich etwa ein vollständiger Ausgleich für die entfallene Mehrwertsteuerbefreiung. Dies soll 1,1 Mrd. S bringen. Eine Milliarde erwartet man sich im Medikamentensektor. Hier wird u.a. eine Anpassung der Handelsspannen an den europäischen Durchschnitt, ein verstärker Einsatz von Generika und eine Preisdämpfung im Rahmen der Regelungskompetenz des Sozialministers verlangt. Lediglich 400 Mill. S glauben die Sozialpartner im Bereich der Verwaltung einsparen zu können. Überprüft werden soll dabei die Effizienz und Notwendigkeit kasseneigener Einrichtungen. Den größten Brocken beim Reformpaket, nämlich 1,5 Mrd. S, sollen Änderungen im Bereich der ärztlichen Hilfe bringen. Hier wird die Umsetzung eines partnerschaftlichen Kommunikationsmodells mit den Vertragsärzten nach dem Vorbild der von der oberösterreichischen Krankenkasse entwickelten Medicom verlangt. Die EDV-Abrechnung der Ärzte soll bereits ab 1. Oktober dieses Jahres vollzogen sein. Auch regen die Sozialpartner die leichtere Lösbarkeit von Verträgen mit Ärzten bei Vorliegen wichtiger Gründe an. Forcierung der Selbstverwaltung Zur Struktur des Hauptverbands halten die Sozialpartner fest, eine Stärkung des Selbstverwaltungsprinzips zu befürworten. Dem Hauptverband soll auf Grundlage von Zielvereinbarungen durch die Sozialversicherungsträger eine verstärkte Lenkungs- und Koordinierungskompetenz zukommen. Dabei soll die Möglichkeit eines effizienten trägerübergreifenden Controllings durch den Hauptverband geschaffen werden. Letzter Punkt des Papiers ist die geplante Zusammenführung einzelner Träger. Hier äußern sich die Sozialpartner positiv, wenn Synergiepotenzial, Wirtschaftlichkeit und Versichertennähe gegeben ist. Einigkeit über Zusammenlegung Auch in der lange strittigen Frage der möglichen Zusammenlegung einzelner Sozialversicherungsträger war man sich nach dem Gipfel zumindest grundsätzlich einig. Allseits wurde betont, dass solche Vereinigungen auch der Wirtschaftlichkeit entsprechen müssten und keine Nachteile für Patienten bringen dürften. ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch betonte, dass "mathematische Diskussionen nicht zielführend" seien. Wenn es aber Verbesserungen gebe, würde sich auch die Gewerkschaft nicht verschließen. Wirtschaftskammer-Generalsekretär Reinhold Mitterlehner betonte, "nicht prinzipiell" gegen Zusammenlegungen zu sein. Dies bedürfe aber zunächst einer genauen Analyse. Sinnvoll erschiene ihm etwa die Vereinigung etwa der Pensionsversicherungen von Arbeitern und Angestellten sobald auch eine Angleichung der Rechte dieser Berufsgruppen erfolgt sei. Auch Staatssekretär Reinhart Waneck sieht die Zusammenlegungen nicht als Justament-Standpunkt. Es gehe darum, die entsprechenden Synergien zu nützen. Eine Vereinfachung des Systems sei anzustreben. Die Verhandlungen mit Ärztekammer und Pharmaindustrie über die Umsetzung des gesamten Kassenreformpakets, das laut Sozialpartnern vier Milliarden, laut Waneck fünf Milliarden bringen soll, sollen jedenfalls kommende Woche begonnen werden. Ebenso ist in der nächsten Woche ein weiterer Sozialpartnergipfel geplant. (APA)