Es ist Big Brother als politisches Programm: nach der Strafe im Gefängnis Bestrafung durch Beobachtung, eventuell ein Leben lang. Genau diese Möglichkeit visiert die vom Ministerrat beschlossene Gesetzesnovelle an: die staatliche Option zur lebenslänglichen Überwachung von Straftätern, die aus lebenslanger Haft bedingt entlassen werden. Für die Betroffenen entspricht das einem Wechsel vom Gefängnis-Container in den Welt-Container. Mit permanenter Bewachung. Motto: Lebenslang bleibt lebenslang. Realpolitisch handelt es sich um eine symbolische Ersatzhandlung, die eher dem subjektiven Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung geschuldet scheint. Brisant sind vor allem die gesellschaftspolitischen Implikationen dieser Entscheidung. Denn empirische Daten zeigen nicht bei "Lebenslänglichen", sondern bei Eigentumsdelikten die höchsten Rückfallquoten. Laut Bewährungshilfe kann die Sicherheit der Bevölkerung durch diese Maßnahme angesichts eines nicht akuten Bedrohungsszenarios auch nicht nachhaltig gesteigert werden. Potenziell betroffen ist nur eine kleine Gruppe: Gezählte 130 "Lebenslängliche" von 7000 Häftlingen, die derzeit einsitzen. Diese Personen hatten bis jetzt die Hoffnung, irgendwann vorzeitig in die Freiheit entlassen zu werden. Was im Hinblick auf eine spätere Resozialisierung nach der Haft psychologisch wichtig ist. Zudem verweisen Kriminalsoziologen darauf, dass für eine gelingende Wiedereingliederung therapeutische und sozialarbeiterische Betreuung der Verurteilten sowohl im Gefängnis als auch nach der Entlassung viel wichtiger wäre als Überwachung mit Open End. Die Aussicht auf lebenslange Überwachung anstelle lebenslanger Haft dürfte einer Reintegration in die Gesellschaft nicht förderlich sein. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.2.2001)