Wien - Am kommenden Montag beginnt die Frühjahrssession des Verfassungsgerichtshofes (VfGH). Bis zum 17. März wird sich das Höchstgericht mit "einer verhältnismäßig großen Zahl an interessanten Fällen" beschäftigen, erklärte VfGH-Präsident Ludwig Adamovich in einer Pressekonferenz am Mittwoch. Das Pensionspaket, das Vergaberecht, die Tiroler Landtagswahlordnung, das Gesetz über die Anerkennung von Religionsgesellschaften werden unter anderem auf dem höchstgerichtlichen Prüfstand stehen. Pensionsreform Ein Antrag von einem Drittel der Nationalratsabgeordneten - aus dem SPÖ-Klub - will ein Paket an Sammelgesetzen auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft haben. Dem Sozialrechtsänderungsgesetz, dem Pensionsreformrecht sowie den bezügerechtlichen Vorschriften der obersten Organe werden sowohl formale als auch inhaltliche Ungereimtheiten vorgeworfen. "Sowohl bei der Kundmachung als auch bei der Abstimmung sind da Fehler passiert. Wir werden prüfen, ob diese formalen Fehler ein möglicher Grund für die Verfassungswidrigkeit der Gesetze ist", erklärte Präsident Adamovich. Sollten die formalen Fehler verneint werden, werde man inhaltlichen Bedenken nachgehen. Bundesvergabegesetz Die Bestimmung des Bundesvergabegesetzes, die die rechtliche Kontrolle des VfGH zeitweilig außer Kraft setzen möchte, wird den Gerichtshof in der kommenden Frühjahrssession ebenfalls beschäftigen. Es handelt sich bei dieser Bestimmung im Verfassungsrang um eine völlige Neuheit. "Es wird die Frage zu klären sein, ob es möglich ist, dass sich die Verfassung zeitweilig selbst in einem bestimmten Bereich außer Kraft setzt", stellte Korinek, Vizepräsident des VfGH, fest. Dass der VfGH eine Volksabstimmung anordnen könne, wie von manchen Medien kolportiert wurde, sei, so Korinek, nicht der Fall. Dazu sei der Gerichtshof nicht befugt. Er könne lediglich verfassungswidrige Bestimmungen aufheben. Das Ergebnis in diesem Fall wäre noch vollkommen offen, betonte Adamovich. Tiroler Landtagswahlordnung Kopfzerbrechen wird auch die Tiroler Landtagswahlordnung den Höchstrichtern bereiten. Schon einmal wurde die Wahlordnung partiell aufgehoben. Der Zählvorgang der Tiroler Landtagswahl von 1999 musste für die Stadt Innsbruck wiederholt werden. Im Hintergrund dieser Probleme rund um die Tiroler Wahlordnung stehe, so Adamovich, eine kryptische Bestimmung. Danach dürfe die Kreiswahlbehörde nur dann nachprüfen, wenn die Niederschrift dazu Anlass gibt. Diese Bestimmung werde auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft werden. Davon werde es abhängen, ob das Wahlergebnis noch einmal aufgehoben werden müsse. Anerkennung von Religionsgemeinschaften Seit 1998 gibt es ein Gesetz, das die gesetzliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften regelt. Eine Bestimmung wird nun auf ihre Verfassungsmäßigkeit geprüft. Danach müssen Religionsgesellschaften, die vor Inkrafttreten des Gesetzes einen Antrag auf Anerkennung gestellt haben, zehn Jahre bis zu ihrer Anerkennung warten. Causa Omofuma Weiters spannt sich der thematische Bogen bei der Frühjahrssession des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) von steuerrechtlichen Regelungen über das Sicherheitspolizeigesetz bis zum passiven Wahlrecht zur Vorarlberger Arbeiterkammerwahl. Auch der Fall Omofuma wird das Höchstgericht beschäftigen. Die Frage der steuerrechtlichen Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen gegenüber Kindern wurde von den Höchstrichtern schon öfter behandelt. Jetzt geht es um die Frage, ob es einen Unterschied bei der steuerlichen Behandlung macht, wenn Unterhaltsverpflichteter und Unterhaltsberechtigter nicht im gemeinsamen Haushalt leben. Personen, die Gesellschaftsanteile an einer Gesellschaft haben und gleichzeitig geschäftsführende Funktionen haben, nehmen eine Sonderposition ein. Sie haben, so Adamovich, eine Art Zwitterstellung, weil sie selbst ihr eigener Dienstgeber sind. Die steuerrechtlichen Regeln, die sich mit der Position dieser Personen beschäftigen, will der Verwaltungsgerichtshof auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen lassen. Sicherheitspolizeigesetz Im Sicherheitspolizeigesetz will der VfGH jene Bestimmungen unter die Lupe nehmen, die über den Zugriff und das Löschen von Daten Aussagen treffen, ihrem Wortlaut nach aber keine Rücksicht auf das Ergebnis von Ermittlungen nehmen. Sollte es in einem strafrechtlichen Verfahren zu einem Freispruch kommen oder die Ermittlungen aus irgendeinem Grund eingestellt werden, so müsse das laut Präsident Adamovich in der Kartei aufscheinen. Davon sei in den sicherheitspolizeilichen Bestimmungen aber nicht die Rede. Die Tochter von Marcus Omofuma, der am 1.Mai 1999 bei seiner Abschiebung gestorben ist, hat sich beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Wien gegen die Abschiebung gewendet. Die Antwort des Verwaltungssenates war zurückweisend: Die Tochter hätte kein Recht, sich gegen die Abschiebung zu wehren, da das lediglich ein höchstpersönliches Recht betreffe, das Omofuma nicht mehr in Anspruch nehmen könne. Für den VfGH ist die Antwort nicht selbstverständlich. Er wird diesen Fall prüfen. Sollte er zu der Ansicht gelangen, dass Omofumas Tochter sehr wohl das Recht habe, gegen die Abschiebung aufzutreten, dann hätte das , so nimmt Adamovich an, Amtshaftungsfolgen. Ausländerwahlrecht Sowohl österreichische Staatsbürger als auch türkische haben für die Arbeiterkammerwahl in Vorarlberg kandidiert. Den Türken wurde das passive Wahlrecht versagt. Der VfGH will prüfen, ob diese Bestimmung gegen eine Vereinbarung innerhalb der EU verstößt. Sorgen bereitet den Präsidenten des VfGH die Massebeschwerden im Zivildienstverfahren sowie im Bereich des Steuerrechtes. "Bereits zwei Referate des Gerichtshofes sind durch die Massebeschwerden zur Hälfte blockiert", stellte Vizepräsident Karl Korinek fest. Zur Zeit gebe es keine Möglichkeit, die Masseverfahren zu beschleunigen. Von Seiten des Parlaments sei aber bisher keine Bereitschaft zu bemerken, diese ernste Situation des Höchstgerichtes zu verbessern. "Man wird sehen, ob dem Parlament die Funktionsfähigkeit des VfGH wichtig ist", erklärte der Vizepräsident. (APA)