Wien - Mit "Enttäuschung" hat am Donnerstag die österreichische Ärztekammer das Ergebnis des gestrigen Krankenkassen-Gipfels zur Kenntnis genommen. Nach Ansicht des zuständigen Bundesobmanns der niedergelassenen Ärzte, Jörg Pruckner, handelt es sich um einen "inhaltsleeren Versuch, die Krankenkassen zu sanieren". Pruckner sieht bei den angestrebten Maßnahmen keine gesundheitspolitischen Perspektiven. Reformen seien nicht erkennbar, Leistungskürzungen nicht ausgeschlossen. Das Sozialpartner-Papier sieht im Bereich der Ärzte Einsparungen in Höhe von 1,5 Milliarden Schiling vor. Der Chef der niedergelassenen Ärzte wundert sich auch darüber, wie die Sozialpartner "gleichsam über Nacht" eigene Standpunkte auf Kosten Dritter verlassen hätten. Bekanntlich habe die Wirtschaftsseite auf eine Einführung von Selbstbehalten, die Krankenkassen auf eine Erhöhung der Beiträge verzichtet. Zu glauben, bei den Folgekosten der Ärzte einen Betrag von 1,5 Milliarden Schilling ohne Verschlechterung für die Patienten einsparen zu können, sei "reine Theorie", so Pruckner: "Ich habe den Eindruck, dass die Sozialpartner unter wohlwollender Leitung des Gesundheitsministeriums am grünen Tisch Versöhnung feiern und gemeinsam Papiertiger produzieren". Man werde jedenfalls mit den Ärzten sprechen müssen, erklärte Pruckner: "Wenn Leistungskürzungen und Verschlechterungen der Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung drohen, werden wir mit Sicherheit nicht mitmachen". Scharfe Kritik von Routil Herbe Kritik am Krankenkassen-Papier der Sozialpartner kam am Donnerstag vom steirischen Ärztekammer-Präsidenten Wolfgang Routil: Er meinte wörtlich, "diese Vorschläge sind die Lizenz zur Zerstörung der Gesundheitsvorsorge in Österreich". Der Vorstoß von Gewerkschaften und Wirtschaft, 1,5 Milliarden aus der flächendeckenden Gesundheitsvorsorge abzusaugen, "bedeutet eine Verhöhnung der gesundheitspolitischen Ziele dieser und aller Bundesregierungen zuvor, nämlich der Stärkung der Patientenversorgung durch Haus- und frei praktizierende Fachärzte", so Routils Kritik. Gesundheitspolitik "nur mit dem Rotstift und ohne medizinischen Sachverstand zu machen, schadet den Patienten". Der Ärztekammer-Chef sprach auch von einer "bewussten Täuschung der Bevölkerung" bei der Behauptung, dass dermaßen tiefe Einschnitte ohne Leistungsverschlechterungen zu realisieren wären. "Wir Ärzte müssen unseren Patienten reinen Wein einschenken - wenn dieses Programm tatsächlich umgesetzt wird, ist das eine Aushöhlung des österreichischen Gesundheitssystems". Routil erwartet auch, dass von Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck "eine deutliche Ablehnung" kommt, denn "Waneck muss als Arzt wissen, dass diese Ideen die Gesundheit gefährden und als Staatssekretär, dass sie dem Regierungsprogramm widersprechen". (APA)