Wien - Seen und deren Ablagerungen - Sedimente - sind für den Kundigen eine besondere Art von Geschichtsbüchern. Die Zusammensetzung der Elemente in den einzelnen Schichten lässt Aussagen über Umweltverhältnisse vergangener Tage zu. Mit Hilfe eines vom Fonds zur Förderung der Wissenschaftlichen Forschung (FWF) finanzierten Schrödinger-Stipendiums analysiert Karin Koinig vom Institut für Zoologie und Limnologie der Universität Innsbruck unter anderem den Sägistalsee in den Berner Alpen. Für die Untersuchungen aus den Tiefen des Seesedimente werden Bohrkerne entnommen, diese dann in dünne Schichten geschnitten und anschließend die Zusammensetzung der geochemischen Elemente mittels eines so genannten "Röntgenstrahl-Fluoreszenz-Analysator" ermittelt. "Mit dieser Methode lassen sich Umweltveränderungen der vergangenen 10.000 Jahre rekonstruieren", so Koinig. Von besonderem Interesse ist es, Veränderungen der Metallgehalte in den Schichten der Seeböden mit menschlichen Aktivitäten zu vergleichen. So zeigte sich, dass die Konzentrationen verschiedener Metalle seit Beginn der Metallverarbeitung in der Bronzezeit erhöht sind. Dramatisch stieg dann der Gehalt an Metallen mit Beginn der industriellen Revolution. Bleikonzentration deutlich gestiegen Im Sägistalsee wies Koinig in den Seesedimenten einen deutlichen Anstieg der Bleikonzentration über die vergangenen 150 Jahre nach, der nach Ansicht der Wissenschafterin eindeutig auf höhere atmosphärische Einträge zurückzuführen ist. Es gibt aber auch Lichtblicke: So macht sich bereits die Verwendung von bleifreiem Benzin in den Ablagerungen bemerkbar, in den siebziger Jahren wurden die höchsten Bleiwerte gemessen, seither lässt sich ein Rückgang ablesen. Veränderungen der Metallkonzentrationen in den Schichten sind aber nicht immer vom Menschen verursacht. So bestimmt die Dichte der Vegetationsdecke, was und wie viel über die Erosion in die Seen geschwemmt wird. Je weniger das Einzugsgebiet eines Sees bewaldet ist, desto mehr Staub und Partikel werden eingetragen. Aber auch hier kommt bereits in der Bronzezeit der Mensch mit ins Spiel. Um etwa Almen zu schaffen wurden großflächige Rodungen vorgenommen, postwendend änderte sich die Zusammensetzung der geochemischen Elemente. Schon für eine Zeit von vor 3.000 Jahren können die Wissenschafter Anzeichen für eine Eutrophierung (Aufdüngung, Anm.) und eine Verminderung des Sauerstoffgehalts der Seen feststellen. Eines der wichtigsten Ziele von Koinigs Forschungen ist es daher, die natürlichen von den vom Menschen verursachten Veränderungen der Seen unterscheidbar zu machen. (APA)