Würzburg - Der Würzburger Geograph und Klimaforscher Rüdiger Glaser hat vor einer Hysterie im Hinblick auf die zu beobachtenden Klimaveränderungen gewarnt. Zwar habe sich die durchschnittliche Temperatur in Mitteleuropa in den vergangenen 150 Jahren um mehr als ein Grad erwärmt. Doch niemand könne sagen, ob dies eher eine natürliche oder eher eine vom Mensch verursachte Entwicklung ist, sagte Glaser. Dennoch plädierte er eindringlich dafür, die Luftschadstoffe wie Autoabgase zu reduzieren, die für den Treibhauseffekt und das Ozonloch in der Atmosphäre verantwortlich gemacht werden. Glaser hat die nach seinen Angaben größte Datensammlung zum Klima in Mitteleuropa zusammengetragen. Die Sammlung stützt sich unter anderem auf Aufzeichnungen über das Wetter, über Baumringanalysen, Erntemengen und Naturkatastrophen. Mit Hilfe dieses Puzzles rekonstruierte der Wissenschafter das Klima der vergangenen 1.000 Jahre, das auch in einem Buch veröffentlicht wurde. "Die neue Warmzeit" "Es hat immer Temperaturschwankungen gegeben", lautet das Fazit des Experten. Allerdings sei es in den vergangenen 1.000 Jahren noch nie so lange so warm gewesen wie zur Zeit. In früheren Jahrhunderten hätten sich die Winter im Durchschnitt deutlich kälter, die Sommer dafür erheblich wärmer gezeigt: "Das Klima im gesamten Mitteleuropa war kontinentaler geprägt." Die neue "Warmzeit" setzte nach Glasers Beobachtungen mit der industriellen Revolution vor etwa 150 Jahren ein. Sich vollends niedergeschlagen habe sie sich Mitte des 20. Jahrhunderts - "als es bei uns zum Wirtschaftswunder kam, als immer mehr Autos fuhren und die Menschen begannen, in die Ferne zu reisen". Temperaturschwankungen von 1,5 Grad im Jahresdurchschnitt hatten in der Vergangenheit laut Glaser erhebliche Konsequenzen: Die Gletscher dehnten sich aus oder zogen sich zurück, auch in den Niederungen veränderte sich die Vegetationsperiode um zwei Wochen. So könne eine Abkühlung um ein Grad im Jahresdurchschnitt zur Folge haben, dass in höher gelegenen Regionen die Ernte nicht mehr eingebracht werden könne und Hungersnöte drohen oder - im umgekehrten Fall - Steppen verwüsteten. "Mittelmäßige Katastrophen" Im Vergleich zu den Naturkatastrophen vergangener Jahrhunderte sind laut Glaser die jüngsten Stürme und Hochwasser in Mitteleuropa "Mittelmaß". In Süddeutschland regnete es im Sommer 1342 in acht Tagen die Hälfte der durchschnittlichen Niederschlagsmenge eines gesamten Jahres. Es brauchte drei Generationen, bis die Menschen wirtschaftlich dieses Unglück verkraftet hatten. "Ob Hochwasser, Dürre oder Hurrikane - solche Wetterkapriolen gehören zum Klima". Es sei problematisch, sie als Anzeichen für von Menschen gemachte, globale Klimaveränderungen zu werten. "Die Natur lässt sich trotz aller Technik nicht in Gänze beherrschen", betonte Glaser. Der Anteil des Menschen an der Klima-Entwicklung dürfe aber auch nicht verneint werden, selbst wenn er nicht beziffert werden könne: "Denn ein Klima, das aus den Fugen geraten ist, lässt sich nicht wieder reparieren." Glaser appellierte deshalb an Politik und Gesellschaft, die Klimaveränderungen ernst zu nehmen und entsprechende Vorsorge zu treffen. Jeder müsse seinen Teil dazu beitragen, dass weniger Schadstoffe in die Luft geraten. So müssten die Wärmedämmung der Häuser verbessert, Fernreisen reduziert und generell weniger Auto gefahren werden. (APA/dpa)