Wien - Gähnende Leere im "Amadeus" und im anschließenden Kinocenter im Zentrum Wien-Mitte. Um neun Uhr Vormittag ist der Komplex nicht nur wahlkampffreie Zone. Das Café Centraal (das mit gedoppeltem a) ist auch noch personalfreie Zone. Nur unten in der "Fit-Bar" wird bereits gesaftelt. Hier kann endlich eines für Politiker beherrschende Wahlkampfthema des 3. Bezirkes angesprochen werden: "Entschuldigen Sie, wo sollen hier eigentlich die Hochhäuser hinkommen?" Der Saft-Bar-Keeper denkt kurz nach: "Keine Ahnung. Da müssen S' die Chefin fragen." Und dann noch: "So viel ich weiß, beim Stadtpark drüben." Knapp vorbei ist auch hier daneben. Gegenüber, in der Halle des Landstraßer Marktes herrscht hingegen schon längst Hochbetrieb. An den Standeln - und vor allem bei der Weinausschank. Auch ein betagtes Ehepaar muss über die Gretchenfrage grübeln, wo die drei Türme - bis zu 97 Meter hoch - samt Shopping-Mall und Erlebnis-Center hinkommen sollen, gegen die vor allem die FPÖ Sturm läuft. Das Ergebnis des Grübelns: "Keine Ahnung." Auch hier beherrschen noch ganz andere Themen das Geschehen, als die Wahl am 25. März. "An Spritzer? Spritzer?", lädt eine Standlerin ein, während neben ihr ein Zieharmonika-Spieler für Unterhaltung sorgt - "so ein Tag, so wunderschön wie heute. . ." Was sie wirklich bewegt, is nicht die Frage ob hohe Häuser in Zentrumsnähe errichtet werden sollen. Was der Fleischhauerin im Moment an die Nieren geht, dokumentiert ihr T-Shirt: "Kuh vadis?" steht auf ihrem Leiberl mit BSE-Karikaturen. Unten, im Erdgeschoß der Markthalle verdichtet sich der Informationsstand über die geplante Milliardeninvestition bei den "Levantinischen und ländlichen Spezialitäten": "Drüben am Bahnhof" sollen die Hochhäuser errichtet werden", ist der Verkäufer überzeugt. "Das kommt ganz sicher. Ist ja fertig geplant." Also hinüber zum Ort des Geschehens. In der düsteren Halle hinter dem Busbahnhof, wo Destinationen von Mistelbach bis Budapest und Paris locken, lehnt ein Mann neben seinem Morgenbier. Auf die Frage, ob er denn wisse, wo denn hier genau die umstrittenen Hochhäuser errichtet werden sollen, stiert er einen Moment in das Glas. "Naaaaa", wehrt er schließlich ab, als ihm der zusammensackende Bierschaum auch nicht weiter hilft. "Frog die do." "Die do" hinter der Budel, die Bier- und Würstelverkäuferin, zögert nicht eine Sekunde. "Na hier iberall. Aber is no net sicha. Alles in Planung. Dauert no." Nur eines ist sicher: Die Wahlkämpfer werden am Bahnhof Wien Mitte jedenfalls früher erscheinen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1. März, 2001)