Die Verfilmung von Robert Schindels Roman "Gebürtig" führt von Wien, der "Vergessensstadt", über Hamburg und New York auch nach Auschwitz. Der Konfrontation mit der Vergangenheit kann sich dort, im Film und auch am Set, niemand entziehen. Von Isabella Reicher.Auschwitz - Besuche auf einem Filmset sind nie "wie im Kino". Man kann vor allem Menschen beim Warten zusehen. Kurz kehrt dann gespannte Ruhe ein, und wenn sie vorüber ist, hat man selten gleich verstanden, was nun aufgenommen wurde.

In diesem Fall befindet sich das Filmset auf historischem Boden. In Polen, vor dem Eingang des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Komparsen stehen in Reih und Glied, und der Film, der hier gedreht wird, heißt Sea of Flames. Nach mehreren Proben ist die Szene im Kasten, der Regisseur umarmt freudig seinen Hauptdarsteller, und alles begibt sich fröstelnd Richtung Mittagspause.

Aber das stimmt nur zum Teil. Alles hat hier nämlich mindestens zwei Seiten: Der Film, an dem eigentlich gearbeitet wird, heißt Gebürtig. Robert Schindel und Lukas Stepanik verfilmen gemeinsam Schindels gleichnamigen Roman. Sea of Flames ist nur der Film im Film, eine US-Produktion, in der die (Roman-)Figur Danny Demant, die der Schauspieler August Zirner verkörpert, als Komparse auftritt.

Über einen Film, der noch nicht fertig ist, lässt sich schlecht schreiben. Für Außenstehende sind angesichts der Szenerie eines Drehs die Grenzen zwischen "Bild" und Off schwer ersichtlich. Aber der Drehtermin ist für einen Pressebesuch klug gewählt. Denn schon wieder vervielfältigt sich hier etwas:

In Gebürtig reist nämlich der Hamburger Kulturjournalist Konrad Sachs - gespielt vom polnischen Filmstar Daniel Olbrychski - anno 1987 zu eben jenen Dreharbeiten nach Auschwitz. Und für Sachs, Sohn eines KZ-Arztes, und Demant, einem jüdischen Kabarettisten aus Wien, wird spätestens hier die Auseinandersetzung mit der eigenen Herkunft und mit der Geschichte unumgänglich.

Man befindet sich also in vielfacher Hinsicht vor einer Schlüsselszene. Es geht dabei, so Schindel, um die "Frage nach der Authentizität der Simulation". Dass die Simulation konstruktive Wirkkraft entfalten kann, ist hier offensichtlich. Denn die Grenze zum Realen ist klar gezogen und liegt buchstäblich außerhalb des Filmsets: Im Konzentrationslager selbst dürfen grundsätzlich nur zu dokumentarischen Zwecken Aufnahmen gemacht werden.

In den Szenen, die Stepanik und Schindel im Angesicht der riesigen Formation von Baracken, Wachtürmen und Umzäunungen drehen, geht es für die Generation(en) der Nachgeborenen, die Kinder von Opfern und Tätern, also um die Konfrontation mit der realen Präsenz dieses Ortes - und mit seiner historischen Funktion als wesentlichem Teil der nationalsozialistischen Tötungsmaschinerie.

"Es war sehr gut, das auf diese Art hier spielen zu lassen", sagt Schindel. Man werde Auschwitz im Film sehen, auch wenn am Terrain selbst nicht gedreht wurde.

Schriftsteller sind selten so eng und kontinuierlich in die Adaption ihrer Werke eingebunden. Der Autor hat bereits während der Arbeit am Roman an eine Leinwandfassung gedacht. Dem Buch hat er 1992 eine Widmung an den Drehbuchautor Georg Stefan Troller vorangestellt. Seit 1993 haben Schindel, Troller und Stepanik am Drehbuch geschrieben. Und in diesem speziellen Fall wollte Schindel schließlich auch im Team mit diesem Regie zu führen.

Im Februar 2002 soll ihr Film, eine internationale Koproduktion der CULT-Film Wien, uraufgeführt werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 8. 3. 2001)