Eigentlich sollten Frauen voller Zuversicht den nächsten Jahren entgegenblicken. Die großen wirtschaftlichen Trends deuten nämlich auf eine deutliche Verbesserung ihrer Stellung auf dem Arbeitsmarkt hin, sowohl bei den Aufstiegschancen als auch bei der Bezahlung. Wenn am Ende dieses Jahrzehnts Österreichs Frauen immer noch über eine sich öffnende Einkommensschere und die "gläserne Decke" klagen, dann hätten auch die Männer ein Problem. Denn das würde bedeuten, dass das Land eine seiner größten wirtschaftlichen Ressourcen nicht ausschöpft. Männer haben auf dem Arbeitsmarkt immer davon profitiert, dass Muskelkraft der wichtigste Input bei der Wertschöpfung war. Doch je mehr die Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft die Industriegesellschaft verdrängt, desto weniger zählen typisch männliche Stärken. Für die Mehrzahl der neuen Jobs sind Frauen besser qualifiziert als Männer. Sie bringen höhere Leistungen in der Schule, sie arbeiten besser in Teams, und sie tun sich leichter bei Dienstleistungen. Zwar zeigen Buben mehr Interesse an Computern und Technik, was ihnen in der IT-Branche zu gut bezahlten Arbeitsplätzen verhilft, doch holen Mädchen auch hier rasch auf. Und für die meisten Jobs in der New Economy muss man weder programmieren noch Handys reparieren können. Auch wenn keine Krokodilstränen für die von der neuen Männerabteilung im Frauenministerium betreuten Geschlechtskollegen notwendig sind: Die ökonomischen Problemfälle der Zukunft werden eher die Männer sein. In den USA ist es seit der Reform des Sozialwesens 1996 gelungen, Millionen von schlecht ausgebildeten allein erziehenden Müttern in den Arbeitsprozess zu integrieren. Väter aus dieser Schicht landen häufig im Gefängnis. Dennoch könnten auch qualifizierte Frauen weiterhin benachteiligt bleiben, wenn es genügend Männer gibt, die die Arbeit erledigen können. Doch dies ist nicht mehr der Fall. Der Fachkräftemangel ist bereits das größte Problem der heimischen Wirtschaft und wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen. Je härter der Kampf auf allen Ebenen um gute Arbeitskräfte wird, desto weniger können es sich Unternehmen leisten, Frauen zu benachteiligen. Diese wandern sonst zur Konkurrenz ab. Deshalb war auch der jüngste Aufruf der Industriellenvereinigung, mehr Frauen für technische Berufe zu gewinnen, mehr als nur eine Geste zum Frauentag. Das heißt nicht, dass jede Personalentscheidung nach rein rationalen Kriterien getroffen wird. An den Schalthebeln sitzen immer noch viele Männer, die Frauen nicht als gleichwertig betrachten. Doch ihre Zahl nimmt allmählich ab und die Zahl der Frauen in Führungspositionen langsam zu. Auch aus volkswirtschaftlichen Gründen muss die in Österreich zu niedrige Frauenbeschäftigungsquote steigen. Weder das Gesundheits- noch das Pensionssystem lassen sich mittelfristig finanzieren, wenn Hunderttausende Frauen im erwerbstätigen Alter keine Beiträge einzahlen. Wie zuletzt das Wifo festgestellt hat, können die Pensionen dadurch gesichert werden, dass die Beschäftigungsquote das Niveau der nordischen Staaten erreicht. All diese wirtschaftlichen Faktoren nützen allerdings wenig, wenn Frauen nicht die Möglichkeit haben, Beruf und Familie zu vereinbaren. Aber auch hier sind politische Weichenstellungen wie das Kindergeld, dessen Folgen für den Arbeitsmarkt kaum abzuschätzen sind, weniger wichtig als die Haltung der Unternehmen. Flexible Arbeitszeiten, Teilzeitoptionen auch für Führungskräfte, Wiedereinstiegshilfe nach der Babypause und Kinderbetreuung am Arbeitsplatz lassen sich von oben nur schwer verordnen. Aber in Zeiten des Fachkräftemangels werden Frauen- und Familienfreundlichkeit zum entscheidenden Wettbewerbsfaktor für Betriebe. Das Festklammern an klassischen Arbeitsmodellen wird zum Luxus, den sich auch patriarchalische Unternehmer nicht mehr leisten können. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 8. 3. 2001)