Wien - Die Regierungsparteien kommen aus dem Jubeln über das Kindergeld gar nicht mehr heraus: Von einem "Meilenstein freiheitlicher Politik" sprach FPÖ-Generalsekretärin Theresia Zierler. ÖVP-Arbeitnehmerchef Werner Fasslabend nannte das Kinderbetreuungsgeld einen "sozialpolitischen Quantensprung". Die Opposition verhält sich offen ablehnend ("Bravo, das ist reinste Ideologie", spottete die Grüne Madeleine Petrovic) und verweist auf einen grundsätzlichen Mangel der Einigung von Dienstag: "Derzeit kennen wir nur die PR-Version, diese wirft viele Fragen auf. Der Teufel steckt im Detail", rügte SPÖ-Familiensprecherin Ilse Mertel.

  • Knackpunkt 1: Die Finanzierung Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hat zusätzliche Kosten in Höhe von 16 Milliarden Schilling eingeräumt, der Familienlastenausgleichsfonds (Flaf) weise aber für 2002 lediglich rund 13,7 Milliarden an Überschüssen auf, rechnet die SPÖ vor. Einspringen sollen Länder und Gemeinden - und das werde auf Kosten von Betreuungsplätzen gehen. Außerdem hat Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer schon klargestellt, dass das Geld allein aus dem Flaf kommen muss - über Details bei Sozialhilfeleistungen wolle er erst reden, wenn es konkrete Unterlagen gibt.

  • Knackpunkt 2: Die Sozialfälle Die Wiener Vizebürgermeisterin Grete Laska warnte vor Fällen von Alleinverdienerinnen, die möglicherweise um das erhöhte Kindergeld "umfallen" könnten, und von Arbeitslosen, deren Arbeitslosengeld-Anspruch gestrichen wird: "Es könnte sein, dass diese Frauen dann alle Sozialhilfeempfängerinnen werden." Der Grundsatz des Kindergeldes sieht vor, dass die 6000 S alle Leistungen, die mit dem Karenzgeld abgedeckt werden, ersetzt. Das würde aber eine Schlechterstellung für alle bedeuten, die jetzt erhöhtes Karenzgeld oder (rückzahlbare) Zuschüsse beziehen. Für Wirtschaftsminister Martin Bartenstein kein Problem - er sprach im "Mittagsjournal" von "erhöhtem Kindergeld". Im Sozialministerium weiß man davon aber noch nichts.

  • Knackpunkt 3: Neue Schwangerschaft Nach widersprüchlichen Äußerungen der Regierungsparteien ist auch offen, was passieren soll, wenn eine Frau während des 30 plus sechs Monate dauernden Kindergeldbezugs noch einmal schwanger wird. Die FPÖ hatte einen "Kinderscheck für jedes Kind" versprochen, nun scheint es maximal eine Verlängerung des Bezugs auf bis zu 30 Monate nach der letzten Geburt zu geben.

  • Knackpunkt 4: Die Bezieherinnen Karenzgeld konnte bisher von Frauen bezogen werden, die in der Arbeitslosenversicherung erfasst sind - also von unselbstständig beschäftigten Frauen, egal welcher Nationalität. Künftig wird der Kreis erweitert auf alle, die Anspruch auf Familienbeihilfe haben. Das schließt Unternehmerinnen und Studentinnen ein - könnte aber einige Ausländerinnen ausschließen. Auch hier beruhigt Bartenstein.

  • Knackpunkt 5: Der berufliche Wiedereinstieg Der Kindergeld-Bezug dauert länger als der Kündigungsschutz - was die Regierungsparteien als Einladung verstehen, gleitend in den Beruf zurückzukehren, Opposition, ÖGB und AK aber als Zurückdrängen an den Herd. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 8. 3. 2001)