Der Gedanke ist für Steirer hart zu ertragen, aber er muss heraus: Es ist langsam an der Zeit, dass sich das Bundesland vom Jahrhundertprojekt des Semmering-Basistunnels verabschiedet.

Der neue Eisenbahntunnel durch den Semmering wäre - gemeinsam mit dem Koralmtunnel nach Kärnten - ein ökologisch und im Sinne einer modernen Verkehrsinfrastrukur wertvolles Projekt gewesen. "Wäre gewesen", wenn sich die Politiker und hier allen Sturköpfen voran, Niederösterreichs VP-Landeshauptmann Erwin Pröll, nicht durch parteipolitische Ränkespiele paralysiert hätten. Man muss heute damit rechnen, dass der Tunnel, wenn überhaupt, in vielleicht 15 Jahren fertig sein könnte. Zu diesem Zeitpunkt fährt halb Europa auf leistungsfähigen Bahnnetzen an Österreich vorbei. Der so genannte Korridor V etwa, der von Helsinki, Kiew über Budapest bis Triest - und letztlich bis Barcelona - geführt wird, ist demnächst fertig. In einigen Jahren ist die Strecke für Geschwindigkeiten bis 160 Stundenkilometer gerüstet. Zu diesem Zeitpunkt wird das Baukonzept Semmering-Basistunnel noch immer bei irgendeinem Höchstgericht liegen. Die Landeshauptleute der Ostregion haben das richtig erkannt und eine rasche Anbindung an dieses außerösterreichische Netz gefordert - was bei FPÖ-Infrastrukturministerin Monika Forstinger den Schreckensausbruch vom "Verrat an Österreich" provoziert hatte.

Es wird aber letztlich auch den steirischen Politikern und Kärntens FP-Landeshauptmann Jörg Haider nichts anderes übrig bleiben, als es den Ostpolitikern nachzumachen und schnelle Anbindungen ans europäische Ostnetz einzufordern. Es wird notwendig sein, den landespolitischen Tunnel- durch mehr europäischen Weitblick zu ersetzen.(DER STANDARD, Print- Ausgabe, 10./11. 3. 2001)