Standard: Gibt es denn noch eine Chance für die Liberalen? Bolena: Ja. Ich rechne mir Chancen aus. Aber ich kann nicht sagen, dass das eine g'mahde Wiesn ist, das ist es sicher nicht. Standard: Die Umfragewerte irritieren Sie nicht? Sie kommen in keiner Umfrage über fünf Prozent. Bolena: Aber in den Wahlbörsen liegen wir drüber. Das gibt uns Mut. In der letzten Wahlkampfphase starten wir mit dem ultimativen Wahlaufruf. Jetzt oder nie. Aber nicht auf "Bitte, bitte". Wir haben ein gutes Programm, gute Kandidaten und stehen für ein weltoffenes Lebensklima, das wir gerne in dieser Stadt etablieren wollen. Aber wählen müsst's ihr uns. Eh nicht viele, nur fünf Prozent. Mehr wäre natürlich schön. Standard: Wenn Sie jetzt den Sprung in den Landtag nicht wieder schaffen, kann man davon ausgehen, dass das liberale Projekt beendet ist. Bolena: Ja. Standard: Bringt sich Heide Schmidt in Wien noch ein? Bolena: Sie kandidiert solidarisch auf Platz 50. Und wann immer wir sie einladen, kommt sie und nimmt sich Zeit. Aber wir haben gesagt, das ist jetzt unsere Geschichte, wir müssen uns von ihr emanzipieren und es alleine schaffen - oder nicht. Standard: Erheben die Liberalen überhaupt noch den Anspruch, in der Innenpolitik mitzuspielen? Bolena: Mein Standpunkt war immer, wir können nicht so tun, als wäre die Welt in Ordnung und wir machen weiter Bundespolitik. Das spielt es nicht. Ansonsten sind unsere Kapazitäten schlichtweg am Limit. Aber es ist eben Wiener Wahlkampf und damit stehen kommunale Themen im Vordergrund. Standard: Bundespolitische Themen spielen keine Rolle? Bolena: Die Ambulanzgebühr ein bisschen, aber sonst wenig. Eine fade G'schicht. Standard: Was sind eigentlich Ihre Themen? Bolena: Verkehr, hier auch eine Absetzung zu den Grünen, die ganze Bürokratiesache. Unnötige Gesetze weg, das was über bleibt, einfach an einer Stelle erledigen zu können. Oder Ladenöffnungszeiten. Im Moment haben die zwei Billas offen und alle möglichen Tankstellen. Und im Billa sind die Waren ja teilweise weggesperrt. Diese Lethargie muss man aufbrechen. Der Wiener ist so ein Mensch, der sagt, mein Gott, das ist halt so, sind eben die Gurkerln weggesperrt. Standard: Man hat den Eindruck, den Wahlkampf gibt es gar nicht - bis auf die Plakate. Sind die Wiener zu träge, um auch mit Inhalten konfrontiert zu werden? Bolena: Der Wiener ist schon sehr träge. Diese Stadt hat eine recht hohe Lebensqualität, und sie wird gut verwaltet. Unser Anspruch ist aber mehr als eine gut verwaltete Stadt. Unser Anspruch wäre eine Stadt, wo man auch Aufbruch zulässt und nicht alles in Paragraphen verpackt. Es gibt wahrscheinlich auch deshalb keine Themen, weil Gott sei Dank niemand mehr auf die FPÖ-Geschichten eingeht. Standard: Aber die bringen Themen rüber - Ausländer, Kriminalität. Bolena: Die transportieren Fragen, aber keine Antworten. Und die ÖVP hat überhaupt nur ein Thema: der Verkauf von Gemeindewohnungen. Das ist mutig, aber in einem so inhaltsleeren Wahlkampf offenbar auch wurscht. Die Grünen haben Van der Bellen. Punkt. Die SPÖ sagt, dass gute Arbeitsplätze nicht vom Himmel fallen. Das weiß ich auch. Aber beim Konsum ist auch schon lange keiner mehr untergekommen. Standard: Bei Ihnen heißt es: Nicht links, nicht rechts, mehr Farbe. Was ist denn das für eine laue Ansage? Bolena: Uns wurde immer mitgeteilt, der Spagat zwischen Gesellschaftsliberalismus und Wirtschaftsliberalismus ist nicht zu machen. Aber genau darum geht es: Das muss machbar sein. Uns hat es in vielen Bereichen zerrissen, wir sind zu oft auf halbem Weg stehen geblieben. Außerdem haben wir uns viel zu wenig gewehrt, als uns die Grünen ins neoliberale Eck gestellt haben. Standard: Jetzt suchen Sie die Auseinandersetzung mit den Grünen, finden sie aber nicht? Bolena: Wir werden sehr wohl einen Angriff starten. Standard: Die Grünen scheinen aber gut damit zu fahren, Konflikten aus dem Weg zu gehen. Bolena: Natürlich. Weil alles in sie hineinprojiziert wird, was sich die Gegner von Schwarz-Blau auch nur vorstellen. Van der Bellen sagt sehr charmant gar nichts. Aber so kann man auch Politik machen. Oder zumindest Wähler gewinnen. Wie man das entzaubern kann, weiß ich auch nicht. Totalangriff ist es sicher nicht. Wir dürfen das Wählerpotenzial der Grünen, das ja weitgehend auch unseres ist, nicht verärgern. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.3.2001)