Wien - Norbert Ostermann steht auf der Böschung des Wienfluss-Beckens und schaut in den 13. Bezirk hinüber - hinter ihm wird ohne Unterlass Erdreich aus einem mächtigen Schacht vom Stollen Richtung Westbahn an die Oberfläche gehoben und dann in Züge verladen. Vorne aber, im Wiental, ist bereits wieder oberflächliche Ruhe eingekehrt, zeugt nur ein Erdhügel am anderen Ufer davon, dass der Zulaufstollen vom Lainzer Tunnel Hietzing bereits erreicht hat. "Die Tunnelröhren enden dort drüben blind am Felsen", erläutert der Projektleiter der HL-AG. Wann aber dort drüben weiter gebuddelt wird, steht derzeit in den Sternen. Ursprünglich hätte heuer der Startschuss für den Hauptstollen zwischen West-und Südbahn fallen sollen. Aber die Tafeln im Tunnel-Infocenter sind bereits aktualisiert: Für den Verbindungstunnel wird jetzt als Baubeginn "voraussichtlich 2003" angegeben. Und die Inbetriebnahme: "Voraussichtlich 2010". Ein halbes Arbeitsleben Wenn Ostermann zu diesem Zeitpunkt noch als Projektleiter tätig ist, wird er sich bereits ein halbes Arbeitsleben mit dem Lainzer Tunnel beschäftigt haben. Seit zehn Jahren bereitet er für die HL-AG das große Graben unterm Lainzer Tiergarten vor. "Eine gewisse Grundspannung ist immer da", zieht er Zwischenbilanz. "Und es wechseln die Herausforderungen. Es wird nie fad." Ob jetzt ein Bundesminister medial einen Baustopp verhängt - und seine Nachfolgerin wieder nicht: "Aus politischen Fragen halte ich mich vollkommen heraus." Nur eines muss er als Fachmann schon anmerken: Sollte doch noch eine Entscheidung fallen, dass der Hauptstollen mit zwei Röhren errichtet werden muss, "geht sich das nie und nimmer bis 2010 aus. Auf gar keinen Fall." Da müssten neue Untergrunduntersuchungen angestellt, ein neues eisenbahnrechtliches Verfahren abgewickelt und womöglich eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. "Stimmt nicht" Dass die FPÖ in der Vorwoche eine neue Studie präsentiert hat, wonach ein zweiröhriger Stollen nur wenig mehr als eine Röhre kosten würde, nimmt er wieder politisch vorsichtig zur Kenntnis. "Diese Studie kenne ich noch nicht." Nur dass laut FPÖ ein Großteil des Materials doch mit LKW transportiert werde, stimme einfach nicht: "Von hier aus wird das gesamte Aushubmaterial per Bahn transportiert. Bei den westlichen Baulosen können wir allerdings nur mit LKW transportieren." Grundsätzlich aber sollen wie vorgesehen 60 Prozent auf der Schiene verfrachtet werden. Das nun wahlkämpferisch verstärkte Hick-Hack um den Lainzer Tunnel scheint Ostermann jedenfalls nicht zu verdrießen: "Ich glaube es gibt nicht viele Ingenieure, die eine Chance bekommen, so ein Projekt von Anfang bis Ende zu begleiten." (Roman Freihsl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13. März 2001)