Zurück nach Graz zu gehen war nicht sein Lebenstraum. Erzbischof von Salzburg wäre Egon Kapellari lieber geworden. Für das gleichwohl vermögende wie kunstsinnige Elitenpublikum der Festspiele wäre Kapellari der ebenbürtige, wenn auch eher leise Gesprächspartner gewesen. Im Blick auf eine sich schließende Tür zieht sich der durchaus eitle Kirchenfürst in Demut auf ein Terrain zurück, das er in- und auswendig kennt. Die Steiermark. Kapellari, der am 12. Jänner 1936 in Leoben geboren wurde, hat an der Universität Graz zunächst ein Jusstudium mit dem Doktorat abgeschlossen. Nach dem Theologiestudium und einigen Jahren als Kaplan führte er ab 1964, in unruhigen Zeiten, die "Leechburg", das Zentrum der Katholischen Hochschulgemeinde. Dabei leitete ihn stärker seine Offenheit als die auf Urs von Balthasars Theologie fußende Konservativität. Von der Leechgasse aus brachen KHJler die bis dahin an der offiziellen Parteienstruktur orientierte Studentenpolitik auf, im Verein mit dem Forum Stadtpark wurde experimentelle Kunst ausgestellt und neue Architektur forciert, in Kapellaris Haus entstand das erste geschlechtlich gemischte Studentenheim, er unterstützte Anfang der 70er-Jahre (zusammen mit Bischof Weber) einen neuen Kindergarten im Geiste Summerhills. Als Kapellari dann im Dezember 1981 nach Gurk-Klagenfurt berufen wurde, gewann die Vorsicht endgültig die Oberhand. Vor allem im Blick auf die österreichische Situation. Er war und ist in Grundfragen ebenso dogmatisch wie der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, der eine Zeit lang Kapellaris Mitarbeiter in Graz war. Selten, dann aber dezidiert, trat er aus dem ihm eigenen Lavieren heraus: als er sich auf die Seite jener schlug, die Kurt Krenn in Schranken wiesen oder als er eine Erklärung zum Fall Groer unterschrieb. In Kärnten selbst hat Kapellari, der Kunstbischof, mit den Ausstellungen auf der Straßburg Pionierarbeit geleistet, die St. Georgener Gespräche initiiert und die Versöhnung mit den Slowenen gefördert. Jörg Haider hat er nie offen attackiert, ihn aber indirekt wissen lassen, was er von dessen Flirts mit der Nazizeit wirklich hält. Der neue steirische Diözesanbischof wird die ausgedehnten Wälder und Latifundien Kärntens vermissen, denn Graz-Seckau gehört zu den materiell armen Diözesen. Umso mehr wird Kapellari die wiedergewonnene Nähe zur theologischen Fakultät interessieren - fand er doch stets auch Zeit für die Schriftstellerei. Seine "Theologie der Symbole" ist ebenso bedeutend wie seine Betrachtungen zu Kunst und Literatur. Nach der Bewältigung einer schweren Operation hat Kapellari vor kurzem sein neuestes Buch publiziert: "Aber Bleibendes stiften die Dichter - Gedanken für den Tag". (Gerfried Sperl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.03.2001)