Babypopos wissen den Superabsorber durchaus zu schätzen. Denn ein Teil dieser Polymer-Verbindung kann acht Teile Flüssigkeit aufnehmen. Die Entwicklung eines Krefelder Chemieunternehmens revolutionierte Windel wie Damenbinde - und machte den Besitzer Dolf Stockhausen ziemlich vermögend. Seit etwas mehr als zwei Jahren lebt der 56-Jährige nun mit seiner Familie in Graz. Als Privatier. Er habe, erzählt er, sein Unternehmen verkauft und in Österreich steuerschonend eine Privatstiftung gegründet. Dass ein Wirtschaftskapitän aber nicht wirklich ausgelastet ist, wenn er nur in den Aufsichtsräten der weltweit verstreuten Firmen sitzt, liegt auf der Hand. Binnen weniger Monate setzte sich Stockhausen als einflussreiche Persönlichkeit ins Spiel: Er wurde Finanzier der Grazer Eishockey GmbH. Er wurde Mitglied beim Kunstverein. Und er verdingte sich bei der Postwurfzeitung der Grazer , für die er als "der Unbestechliche" schreibt. Vor allem über Kultur: Er verfasst Opernkritiken und teilt Schulnoten aus. Ende 2000 kam Matthias Fontheim, der neue Direktor des Schauspielhauses, in ärgste Bedrängnis: Peter Nebel, Verwaltungsdirektor der Vereinigten Bühnen, kritisierte die schlechten Auslastungszahlen und geringen Einnahmen, denen stark gestiegene Ausgaben gegenüberstünden. Stockhausen, ein Freund von Fontheims Vater, der in Krefeld Theaterdirektor gewesen war, bot sich an, aktiv zu werden. Und Fontheim willigte ein. In der Folge startete "der Unbestechliche" eine mediale Kampagne gegen den Sozialdemokraten Nebel, die des verhassten Direktors Kopf zum Ziel hat: Der "Intrigantenstadl" müsse, ließ er wissen, "ausgemistet" werden. Und im steirischen Kulturlandesrat Gerhard Hirschmann (VP) fand er auch einen Verbündeten. Am 5. März sollte ein Treffen zwischen der Intendanz und dem Theaterausschuss, darunter Exkulturlandesrat Kurt Jungwirth als dessen Vorsitzender, und Bürgermeister Alfred Stingl (SP) stattfinden. Am Wochenende davor sandte Stockhausen ein Mail an Karen Stone, die designierte Intendantin, und den "lieben Matthias": "Der alte Bock" "LR Hirschmann hat am Freitag nicht mehr angerufen, um mitzuteilen, ob das sinnlose Treffen Rote Armee gegen Intendanz am 5. 3. nun stattfinden soll oder nicht. Er wollte mit Bgm. Stingl und Prof. Jungwirth (dem zum Gärtner bestellten alten Bock) telefonieren und ihnen seine Bedenken gegen das Treffen mitteilen. Vielleicht ruft er ja noch am Montag an. Aber: Eigentlich wäre es doch ganz gut, wenn man das Treffen stattfinden lässt. Wenn es der erwartete Mobbingversuch wird und der genauestens protokolliert wird, dann ergibt sich daraus ein weiteres mächtiges Argument für die Notwendigkeit, Nebel (und Jungwirth) schnellstens von ihren Posten abzuberufen." Doch Stockhausen, der mit "Dein Dolf" zeichnete, beging einen Fehler: Er sandte das Mail nicht an den "lieben Matthias", sondern unabsichtlich an jemanden anderen. Die Aufregung war plötzlich groß. Und die "Schwarzen", die den Kampf gegen die "Rote Armee" ganz gern mitgetragen hätten, konnten die Attacke gegen den Mann aus den eigenen Reihen (Jungwirth) dann doch nicht ganz goutieren. Aufgrund einer S TANDARD -Recherche wurde zudem bekannt, dass sich Stockhausen an der Wochenzeitung Zur Zeit , von Jörg Haiders Kulturberater Andreas Mölzer herausgebracht, beteiligt hat. Und regelmäßig in ihr veröffentlicht: Er verurteilt die Bahnhofsoffensive, an der die besten Architekten Österreichs mitwirken (sollten), als "ärgste Torheit", er macht sich über die Grazer Falstaff -Produktion und die Darsteller ("Wichtig ist auch noch ein Mädchen mit mäßiger Figur im Bikini") lustig, er zieht über den Wiener VP-Kulturstadtrat Peter Marboe ("Vollstrecker scharf linker Kulturpolitik") her. In Graz will von Stockhausens Engagement niemand gewusst haben. Ein Kulturveranstalter verzichtet aber nun auf die Unterstützung durch den zweifelhaften Mäzen, und Fontheim ist zerknirscht. Denn kürzlich erhielt er ein Mail von Regisseur Kurt Palm: "Für mich ist die Vorstellung, dass ich an einem Haus inszeniere, dessen Intendant mit einem ideologischen und finanziellen Unterstützer eines einer antidemokratischen, fremdenfeindlichen, rechtspopulistischen Partei wie der FPÖ nahe stehenden Blattes öffentlich befreundet ist, schwer erträglich." In Graz wird jetzt debattiert: Darf man sich über Unterstützung freuen, auch wenn sie von der falschen Seite kommt? Darf man Geld von jemanden nehmen, der gegen zeitgenössische Kunst wettert oder wettern lässt? Fontheim jedenfalls geht auf Distanz. Und Stockhausens Du-Wort ist ihm peinlich. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15. 3. 2001)