Wien - Eine kritische Analyse des "desaströsen" Zustands der österreichischen Filmförderung mit Zahlen, möglichen und vergebenen Chancen sowie Lösungsansätzen präsentierten am Freitag Helmut Grasser vom Österreichischen Produzentenverband, Andreas Gruber vom Dachverband der österreichischen Filmschaffenden und die Kultursprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, auf einer Pressekonferenz. Die auch finanziell "großen Chancen dieses Bereiches, über die es breiten Konsens gibt," werde man "in keiner Weise gerecht". Glawitschnig sprach drei Tage vor Beginn der alljählichen Leistungsschau "Diagonale" von einer Filmförderungspolitik, die Österreich in Kürze zum Schlusslicht Europas machen werde, worauf Regievertreter Gruber widersprach: "Wir werden nicht erst Schlusslicht, wir sind es schon lange. Bei allen wesentlichen Kennzahlen der Branche, von der Wertschöpfung bis zur Beschäftigung, liegt Österreich an letzter Stelle." "Riesige Chancen in boomender Landschaft"" Für Glawitschnig wäre die Lage umso beklagenswerter, als eigentlich ein "Förderungsschwerpunkt Film" versprochen worden wäre, der sich jetzt, nach Auslaufen der Sondermittel der vergangenen Jahre in einer realen Kürzung niederschlage. "Und das, obwohl der jetzige Kunststaatssekretär noch als Abgeordneter gesagt hat, die Mittel wären viel zu wenig." "Ich kann nicht verstehen, dass ein 'Schwerpunkt Film' sich so niederschlägt, dass derart gravierend gekürzt wird", erklärte Produzentenvertreter Grasser. Eine größere Filmproduktion mit einem Budget von etwa 50 Millionen Schilling benötige eine Basisfinanzierung von rund 30 Millionen, um weitere Gelder lukrieren zu können: "Wir verspielen riesige Chancen in einer boomenden Medien- und Filmlandschaft". Es handle sich dabei nicht nur um die Nicht-Nutzung eines gewaltigen kreativen Potenzials, das dazu führe, dass Wien als Medien- und Filmstandort bald von aufstrebenden osteuropäischen Städten wie Prag und Budapest überflügelt werde, sondern auch um "eine unglaublich dumme Wirtschaftspolitik", da die Wertschöpfung und der Rückfluss an Steuermitteln gerade im medialen Bereich außerordentlich hoch sei. Vergleiche mit Zahlen Bekanntlich wurde das Budgets für das Österreichische Filminstitut auf der Höhe des Jahres 2000 (105,8 Mill. Schilling) für die Folgebudgets 2001 und 2002 eingefroren - eine Kürzung um mehr als 35 Prozent gegenüber den 169 Mill. des Jahres 1999. Vergleichszahlen wurden vorgelegt: Die von der Größe der Volkswirtschaften annähernd vergleichbaren Dänemark und Schweden investieren mit jeweils umgerechnet weit über 500 Millionen Schilling das Fünffache in die Förderung ihrer Filmkultur. (Nicht ohne Rendite in Form von Festivalslieblingen mit nachfolgenden hohen Einspielergebnissen: Zum Markennamen wurde so die dänische Dogma-Bewegung mit Lars van Trier, Thomas Vinterberg und - gerade eben in Berlin - "Italienisch für Anfänger" von Lone Scherfig. Und auch die Überraschungserfolge "Fucking Åmål" und "Tillsammans" des Schweden Lukas Moodysson haben ihren finanziellen Hintergrund. - Anm.) Überall in Europa werde massiv im Filmbereich investiert, nur in Österreich werde gekürzt. So beträgt laut Grasser allein das Auftragsvolumen der deutschen Fernsehsender an die Filmwirtschaft 4,6 Milliarden Mark jährlich, allein in Bayern wird mehr als das vierfache Volumen von Österreich investiert. Katalog an Forderungen Für die Grünen könne und solle Wien "neben Berlin, Köln und München der vierte relevante Filmproduktionsstandort des deutschsprachigen Raumes werden". Eva Glawischnig präsentierte anlässlich der Pressekonferenz eine Art Aktionsprogramm in Form einer Forderungsliste. Gefordert werden daher u.a. die "mittelfristige Aufstockung des Bundesfilmbudgets auf 300 Millionen Schilling" (etwa zwei Drittel der skandinavischen Vergleichszahlen, Anm.) neben "steuerlichen Maßnahmen, die es privaten Anlegern und interessierten Unternehmern ermöglichen, Kapital in eigenproduzierte Filme zu investieren". Umfeld der "gemeinnützigen Einrichtungen" Glawischnig kritisierte weiters die Streichung der Entschädigung für die Gebührenbefreiung an den ORF, der für die Filmwirtschaft einen direkten Verlust von 60 Millionen Schilling bedeute und forderte die Rücknahme dieser Entscheidung. Der Budgetansatz "gemeinnützige Einrichtungen" im Bereich der Bundesmittel für Film und Medien wäre um weitere acht Millionen gekürzt worden, stellte die Grüne Kultursprecherin fest und forderte eine "Zweckbindung" einer auf Rundfunkgeräte eingehobenen Steuer, die angeblich 680 Millionen Schilling einbringe, für nichtkommerzielle Radios, die Filmwirtschaft und zur Finanzierung der Medienbehörde. Auch wird von Glawitschnig die Umstrukturierung der betreffenden Abteilungen der Kunstsektion als "nicht nachvollziehbar" kritisierte; auf eine diesbezügliche Anfrage hätten die Grünen von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) "unter Bruch der parlamentarischen Geschäftsordnung" bisher keine Auskunft erhalten. (APA/hcl)