Heftiges Vorhofflimmern herrscht in der Wiener Muth- gasse. Dem Sitz der Kronen Zeitung und ihres Chefs, der politische Macht angeblich nicht haben will und sich in deren "Vorhof" sieht. Komisch nur, wie dieser bescheidene Hans Dichand klingt, geht ihm etwas gegen den Strich. Die "Marke Schüssel", Masche passt ja nicht mehr, trägt für ihn das ORF-Gesetz. Dichand hätte auf dem Gesetz lieber selbst seine Duftmarke hinterlassen. Es geht um eigenes Revier. Seit Gerhard Zeiler Gerd Bacher 1994 als Generalintendant ablöste, ist der Küniglberg nicht länger Feindesland für den Krone-Chef. Ganz im Gegenteil: "Gala der Volksmusik" und des Fußballes legen sichtbares Zeugnis ab für den Kuschelkurs der Medienmächtigen. Der gipfelte im ausgedehnten Zungenkuss, der Krone nicht nur ein überdimensioniertes Logo neben dem Konterfei von "Millionenshow"-Kandidaten einzuräumen, sondern Fragen über Krone-Inhalte zur Bedingung für Gewinne zu machen. "Wir wollten den ORF total von Parteipolitik befreien", sagt Dichand. Immerhin ist er so ehrlich, davor eine Fährte zur wahren Motivation zu legen: "Wir wollten auch keinen Weisenrat mit vorgeschobenem ,Leihopa' Gerd Bacher und all den Leuten, die immer unsere Erzfeinde waren." Erzfeinde der Krone dürfen einfach nicht Berater für ORF-Gesetze spielen. Womöglich kommen die auf die Idee, das Paarungsverhalten der Medienriesen einzuschränken. Schon im Herbst erklärte Bacher im STANDARD-Interview: "Für mich hat der ORF ein Korrektiv zu den weltweit einmaligen Printmedienzuständen in Österreich zu schaffen. Ich wollte nicht auf dieses Gegengewicht zu den Printmedien verzichten." Weniger offene Beiträge zur Reformdebatte als Dichand liefert gemeinhin die Verlagsgruppe News, die den flotten Dreier österreichischer Medienmacht in kaum dezenteren Kooperationen mit dem Küniglberg komplettiert. In deren Publikationen darf sich ORF-General Gerhard Weis regelmäßig über den "Wahnsinn" äußern, den die Regierung mit dem ORF vorhabe. Ob in Editorials der Herausgeber von TV-Illustrierten oder in herkömmlichen Interviews. In Format etwa behauptet Weis unhinterfragt, die Regierung wolle "privatem Rundfunk erstklassige Startbedingungen einräumen". Das ist nicht nur gewagt, weil Österreich als letztes Land Europas privates Fernsehen auf Kabel und Satellit beschränkt. Begrenzung von Sonderwerbeformen wie Product-Placement und Unterbrecherwerbung beim ORF hilft kommerziellen Newcomern wie eine Krücke beim Sprint. Solange der ORF rund um die Uhr länger werben darf als öffentlich-rechtliche Anstalten im Rest Europas. Und ein paar Quotenrenner weniger, weil der öffentlich-rechtliche Programmauftrag dank Bacher schärfer formuliert wird, machen den Künigberg lange nicht zur Randexistenz. Bringen ihn höchstens auf europäische Verhältnisse. Warum Dichand das nicht entgegenkommt, hat er gerade erklärt. Nur weil er ob drohender Konkurrenz muss, startet er nun eine Gratiszeitung für Wien. Aber ungleich kostspieligeres Privat-TV will er sich "nicht leisten". Wo er doch im Bett mit Gerhard deutlich günstiger televisionäre Zuwendung erfährt. Dumm nur, dass das Poltern der drei Medienriesen ORF, Krone und News-Gruppe noch kein zwingendes Indiz für Vernunft in der Medienpolitik ist. Marktbeherrschende Konzerne von Privat-TV ausschließen wollte nur die vorletzte Fassung der Grundlagen für ein einschlägiges Gesetz. Die präsentierte nicht mehr. Auch solchen Konzernen Gemeinschaftsprojekte mit dem Küniglberg zu verbieten ist in der Endfassung der Punktation für ein ORF-Gesetz nicht mehr zu finden. Und dass die Regierung mit ihrer Formel "Politiker raus aus dem ORF" tatsächlich nur das Gute, Wahre und Unabhängige auf dem Küniglberg will, fällt schwer zu glauben. Regierungsparteien, deren prominente Vertreter im ORF "Widerstandsnester" sehen und "Ordnung machen" wollen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.3.2001)