"Sie kennen die Schlagworte. Ich werde mich hüten, dazu etwas zu sagen." Wie es seine Art ist und auch seiner Funktion entspricht, äußerte sich der Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Ludwig Adamovich, am Dienstag außerordentlich zurückhaltend auf die Frage, ob die Fehler des Gesetzgebers bei wichtigen Materien auf das von der Regierung vorgegebene Tempo zurückzuführen seien. Das wurde noch vor wenigen Monaten von ÖVP-Klubobmann Andreas Khol stolz unter dem Motto "speed kills" beworben. Gemeint hat Khol, der sich so gerne als "Architekt" der schwarz-blauen Koalition sieht, das Reformtempo der Regierung. Doch so wie das Schlagwort von der "sozialen Treffsicherheit" mittlerweile einen negativen Unterton bekommen hat, ist mit "speed kills" spätestens seit der Aufhebung der Pensionsreform und der Ambulanzgebühr durch den Verfassungsgerichtshof kein Staat mehr zu machen. "Speed kills" als Synonym für "Neu Regieren" steht für Husch-Pfusch, Schlamperei, Unprofessionalität sowie Drüberfahren gegen alle Einwände und Bedenken. Bei der entscheidenden Sitzung zur Pensionsreform wurde der Zweite Nationalratspräsident Thomas Prinzhorn, dem der Fehler passiert ist, der zur Aufhebung der Reform geführt hat, vonseiten der Opposition sehr wohl auf seine fehlerhafte Vorgangsweise hingewiesen. Prinzhorn war das schlicht egal. Weil ja alles gar so schnell gehen sollten, um "Neu Regieren" zu demonstrieren, ließ er eben abstimmen. Und die Damen und Herren Abgeordneten der Koalition sind halt so wie in solchen Fällen üblich ohne näheres Nachdenken zustimmend aufgestanden. Besonders unangenehm berührt, dass Prinzhorn nachträglich die Schuld für seinen Fehler anderen gibt. Das scheint überhaupt eine Spezialität der neu Regierenden zu sein. Für Infrastrukturministerin Monika Forstinger war es vor wenigen Wochen ein Beamter, der herhalten musste, um einen eigenen Fehler zu kaschieren. Prinzhorn schiebt die Schuld dem Bundespräsidenten in die Schuhe. Aus seinem Büro hieß es Dienstag - der Zweite Nationalratspräsident weilt zurzeit im Ausland -, die Abstimmungspanne sei ausführlich von den Medien behandelt worden. Man verstehe daher nicht ganz, warum es zu einer Unterzeichnung des Gesetzes durch Bundespräsident Thomas Klestil gekommen sei. Nicht minder unangenehm berührt, wenn Bundeskanzler Wolfgang Schüssel argumentiert, die Aufhebung der Pensionsreform sei "auf Formalgründe zurückzuführen, die mit der Regierung nichts zu tun haben". Dass für die Fehler bei der Ambulanzgebühr selbstverständlich die Administration verantwortlich ist, passt in diese Rechtfertigungskette. Völlig unangebracht ist die politische Schuldzuweisung in Richtung Verfassungsgerichtshof. Die Aufhebungen der Pensionsreform und der Ambulanzgebühr sind durch eine Indiskretion an die Öffentlichkeit gelangt. Der Verfassungsgerichtshof hätte sie gesetzeskonform erst Anfang April veröffentlicht, sobald sie zugestellt sind. Das ändert aber nichts am Spruch, und Indiskretionen hat es schon mehrmals gegeben. So wurden u. a. die Fristenlösung und mehrere Familienerkenntnisse vorzeitig bekannt. Völlig überzogen ist daher der Vorwurf von FPÖ-Klubobmann Peter Westenthaler, der Verfassungsgerichtshof betreibe Wahlkampf, da die Erkenntnisse kurz vor der Wien-Wahl öffentlich bekannt wurden. Zu Recht haben die Höchstrichter Adamovich und Karl Korinek dies deutlich zurückgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof als Institution hat sich nichts vorzuwerfen. Es gibt einen Unterschied zwischen dem Gerichtshof und irgendwelchen Personen, die gesprochen haben. Statt stets nach anderen Schuldigen für Fehler im eigenen Verantwortungsbereich zu suchen, sollte sich die Regierung daher einmal mit der Frage befassen, ob nicht die eigene Unfähigkeit zu den sich häufenden Pannen führt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 21.3.2001)