JANE MONHEIT Never Never Land (Edel) Also wirklich, da kommt man fast mit dem Schreiben nicht nach. Was sich da alles tut - an der Stimmenfront. Nicht, dass es sich dabei um einen Aufbruch in stilistisches Neuland handeln würde. Der Neuheitsschub, er ist einer der neuen Namen, und sie kreisen doch auffällig oft um die guten alten Songgeschichten, die es offenbar noch immer zu erzählen gilt, so sie von Tagträumen, ersten und letzten Berührungen, von Tragödien handeln. Man könnte sagen, alte Säfte aus neuen Schläuchen, und dies in den letzten Jahren verstärkt: Diana Krall, Cassandra Wilson, Kevin Mahogany, Dianne Reeves, Dee Dee Bridgewater und nun auch die jüngste Dame, Jane Monheit, eine 22-jährige Diva, in deren Stimme das samtig-jugendliche Flair von Ella Fitzgerald aufleuchtet. Dass man sie als verträumte Lolita verkauft, ist insofern nicht unangebracht, als das Mädchen in die Reinheit ihrer Stimme doch auch laszive Farbtupfer eintaucht. Dass sie selbst alles erfahren hat, was sie singt, behauptet sie gar nicht. Wie aber! Ist Lebenserfahrung jetzt schon etwas Angeborenes, Miss Monheit? Nein, sagt sie. Erfahrung kann etwas Geborgtes sein. Monheit borgt sich Tragödien aus ihrem Freundeskreis aus. So steht es jedenfalls im Wall Street Journal , das offenbar auch eine Musikseite hat. Egal. Wenn man auch noch den Spruch "Sag mir, mit wem du spielst, und ich sage dir, wie gut du bist" strapaziert, muss man auch die Namen Ron Carter (b) und Kenny Barron (p) nennen. Diese Kapazunder begleiten die Dame. Und dies wohl sicher nicht ob ihres knusprigen Alters. Sicher nicht! MAX NAGL Strichcode (Extraplatte) Oft riecht es hier nach geborgter Musik. Danke, Musikgeschichte. Aber, halt! Bevor der Eindruck entsteht, wir würden Komponisten und Saxophonisten Max Nagl als musikalischen Langfinger bezeichnen, der sich im Supermarkt der Musikgeschichte bedient, ohne zu zahlen, bevor alles imagemäßig in die falsche Richtung geht, wollen wir ihn als einen unserer Lieblinge bezeichnen. Denn, wenngleich sich im Kopf des Mannes allerlei Traditionen tummeln, so versteht er es, auf bekanntem Terrain immer noch eine individuelle Pirouette zu drehen. Hier geht es zunächst einmal um kulinarische Kammermusik mit Folkloreeinschlag. Walzer, Tango und sonstige Musikformen, die die Zeit zum Stillstand bringen, kommen vor. Durch ihre seltsame Gebrochenheit beseitigen sie allzu Heiles. Es ist eine lachende Melancholie, die hier betört. Die Wahrheit wird uns nicht vorenthalten, jene nämlich, dass irgendwann alles aus sein wird und dass wir abtreten müssen und unsere CD-Sammlung nicht mehr sehen werden. Die Musik sagt aber auch: Es gibt ein Leben vor dem Tod. Nützt es also. Seid verspielt und bleibt weise Kinder. Wie Nagl! GERRY MULLIGAN In Concert (Pablo/Zyx) Gestattet sei eine kleine Erinnerung an den Bariton-Poeten Gerry Mulligan. Seine Welt hat etwas zu tun mit hitzig-coolem Jazz, mit kontrapunktischer Eleganz und der Präzision der Aussage. Gerry sagte nicht viel, aber was er sagte, saß. Auch live. Hier eine Erinnerung (aus 1957 und 1962). Das Mulligan-Quartett, in dem auch Bob Brookmeyer hauchte, ist in edler Form, gibt sich samtig-weich und doch köchelt alles. (DER STANDARD Printausgabe, Beilage RONDO vom 23.3.2001)