Totgesagte leben eben länger. Letztes Jahr noch ging die Rede, der Weiterbestand der Leipziger Buchmesse sei alles andere als gesichert, es hieß, Sponsoren wollten abspringen, größere Verlage wie Lübbe ihr Messe-Engagement beenden. Doch derlei Unkenrufe begleiten den Anlass seit der Wiedervereinigung. Alle Jahre wieder wird die (Weiter-)Existenz der Veranstaltung hinterfragt und es dauert wohl noch lange, bis die "Ostmesse" nicht mehr nur als Gradmesser der wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen Bundesländern gilt.

Doch zurück zum Thema. Nachdem Lübbe auch heuer wieder mit von der Partie ist und sogar noch einige renommierte Verlage wie Hoffmann und Campe, DTV und Herder neu hinzugewonnen werden konnten, wurde am Mittwochabend die Buchmesse im Leipziger Gewandhaus feierlich eröffnet.

"Wahre Freude ist eine ernste Sache", ist in diesem ersten Konzerthallenbau der DDR über der mächtigen Orgel zu lesen und wie ein Pfeifen im dunklen Walde klangen dann auch die Ansprachen der Eröfnungsredner. Der Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee appellierte vertrauensvoll an die "gelebte Solidarität" der Westverlage.

Auch der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Roland Ulmer und Peter Olson, Vorstandsmitglied des Hauptsponsors Bertelsmann, verbreiteten in ihren Ansprachen einen Optimismus, der eher an Durchhalteparolen erinnerte. Erst Louis Begley schlug mit seiner feinen, leisen Eröffnungsrede Mein Europa weniger geschäftliche Töne an.


Aufwendiges Zentrum

Sonst aber war viel von Marketing die Rede, von nachhaltiger PR- und Öffentlichkeitsarbeit auch. Das ist kein Zufall. Wie ein Verleger sagte, ist in Leipzig die Stimmung gut, die Geschäfte aber sind schlecht, denn diese werden in Frankfurt, wo es um Rechte und Lizenzen geht, gemacht.

Wem nichts bleibt, dem bleibt die Repräsentation. So trat die Buchmesse vor drei Jahren mit dem Umzug in das neue, für umgerechnet 9,45 Milliarden Schilling auf die grüne Wiese geklotzte Messezentrum die Flucht nach vorn an. 25 Minuten dauert es, um von der Innenstadt zum 300 Meter langen und 28 Meter hohen Glaspalast zu gelangen. Symbolisch ist der Bau für Leipzig, das sich gern als die "Boomstadt des Ostens" sieht. 350 Milliarden Schilling wurden in den letzten zehn Jahren investiert, doch zerfallende Gebäude aus der Gründerzeit erinnern daran, dass man sich vom sorgfältig wieder hergestellten Stadtzentrum nicht blenden lassen soll.

Innerhalb von vier Jahren gingen 100.000 der 120.000 gewerblichen Arbeitsplätze verloren, nun setzt man auf den Dienstleistungssektor und deshalb ist die Buchmesse für die Region von immenser Bedeutung. Die Rechnung scheint aufzugehen. Mit fast 2000 Ausstellern aus 27 Ländern (zum Vergleich: In Frankfurt waren es zuletzt 6643 Aussteller aus 113 Ländern) wurde ein neuer Teilnehmerrekord verzeichnet.

Die Veranstaltungsreihe "Leipzig liest", das mit 800 Lesungen in vier Tagen und an 150 Orten über die Bühne gehende "Lesefest", verspricht auch heuer wieder ein Erfolg zu werden. Zum zweiten Mal widmet die Messe auch dem Hörbuch ein eigenes Forum, und zum ersten Mal wird der "Hörkules", der Hörpreis des deutschen Buchhandels vergeben.

Im Unterschied zu Frankfurt zieht die Leipziger Buchmesse nicht so sehr ein Fach-, als ein sehr gemischtes Publikum an, es geht hier weniger ums Geschäft und mehr um den Spaß. Das mag die Gefahr bergen, dass die Veranstaltung zu einem Buch-Jahrmarkt verkommt, vorderhand hält aber das gut konzipierte Rahmenprogramm mit Gesprächen und Diskussionen diesem Druck noch stand.

Und Österreich? Die meisten heimischen Verlage sind vertreten, an die in Berlin lebende Salzburger Autorin Kathrin Röggla wird der Italo-Svevo-Literaturpreis verliehen und das von Werner Welzig herausgegebene "Fackel-Wörterbuch" wurde zum schönsten Buch der Welt gekürt. Österreich ist also durchaus präsent. Auch beim kurzhaarigen, mit Springerstiefeln ausgerüsteten Sicherheitsmann, dessen Bemerkung "Ah, unsere Wiener Freunde" nicht genau einzuordnen war.

Louis Begleys Eröffnungsrede "Mein Europa" wird morgen im ALBUM abgedruckt.
(DER STANDARD Printausgabe vom 23.3.2001)