Wien - Die Kommentatoren der österreichischen Zeitungen widmen sich in ihrer Bewertung der Wien-Wahlen in erster Linie dem Triumph von Bürgermeister Michael Häupl (S) und den starken Verlusten der Freiheitlichen. Herausgeber Peter Rabl meint im "Kurier" : "Es schien bloß eine Angstparole, als die ÖVP in den letzten Tagen vor der Rückkehr des 'roten Wien' warnte. Die Wiener machten den bürgerlichen Albtraum wahr. Ein sensationeller, von niemandem erwarteter Triumph bringt der SPÖ wieder die absolute Mehrheit. Und es kann kein Zweifel daran bestehen, dass dieses Wahlergebnis einen Namen hat: Michael Häupl... Von manchen belächelt und unterschätzt, mauserte sich der Intellektuelle mit Fiaker-Schmäh zum Volks-Bürgermeister." Und weiter: "Für die Freiheitlichen hat sich - Kompliment an die Wiener Wähler! - Haiders Griff in den Mistkübel nicht gelohnt. Dieses Ergebnis hätte auch die stramme Spitzenkandidatin Partik-Pable mit ihrem harten Oppositions-Wahlkampf alleine zu Stande gebracht. Die FPÖ wird nach der Dreifach-Schlappe in der Steiermark, dem Burgenland und in Wien erkennen müssen, dass mit Haider nicht nur kein Staat zu machen, sondern auch keine Wahlen zu gewinnen sind... Die endgültige Emanzipation von Haiders Person und Stil ist fällig. Gelingt das, hat die Regierung trotz der Wiener Watschen ihre Chance." In der "Presse" kommentiert Herausgeber Andreas Unterberger: "Hauptsieger ist Michael Häupl. Er gewann massiv von der FPÖ Arbeiterstimmen zurück, profitierte von den unpopulären Maßnahmen der Bundesregierung und kann jetzt das 'Rote Wien' in einem unerwarteten Triumph perpetuieren. Er wird nun auch zur dominierenden Eminenz der ganzen SPÖ." "Die Freiheitlichen können sich höchstens so trösten: Ihre Stimmenverluste sind nicht ganz so schlimm wie das, was ihnen noch vor kurzem gedroht hat. Helene Partik-Pablé hat den schlingernden Verein auf niedriger Ebene stabilisiert. Mehr ist für eine Protestpartei nach einem Wechsel in die Verantwortung nicht drinnen." In den "Salzburger Nachrichten" kommentiert Wien-Korrespondent Walter Schwarz: "Der große Wahlsieger heißt Michael Häupl. Er kratzt an der absoluten Mandatsmehrheit, die die SPÖ vor fünf Jahren verloren hat. Großer Verlierer ist die FPÖ - abgesehen vom Liberalen Forum, das nun vor dem Nichts steht." "Wien ist keine arme Stadt, im Gegenteil. Aber auch die hauptverantwortliche SPÖ wird nicht umhin können, über kurz oder lang Tabubrüche zu begehen. Stichwort: Privatisierungen. Stichwort: Gemeindebauten. Stichwort: Demokratiereform. Das Wahlresultat hat die Sache nicht leichter gemacht." Für das "Neue Volksblatt" meint Chefredakteur Franz Rohrhofer: "Michael Häupls Rechnung ist aufgegangen. Er hat das Koalitionsabkommen mit der ÖVP gebrochen und frühzeitig gewählt, um sich Stimmen von der FPÖ zurückzuholen. Das ist ihm gelungen, weil die Freiheitlichen die Waffe des Protestes und der Opposition diesmal nicht zücken konnten. Hauptverlierer ist übrigens Jörg Haider, dessen Glanz als erfolgreicher Wahlkämpfer endgültig verblichen ist." Für die Koalition sieht Rohrhofer gewisse Probleme: "Für die ÖVP besteht trotzdem keinerlei Grund, sich zufrieden zurückzulehnen. Ihre Zugewinne auf niederem Niveau sind bescheiden, die FPÖ wird als Dauer-Verlierer ein immer schwierigerer Partner. Bis zur NR-Wahl 2003 muss die Regierungspolitik jedenfalls Zugnummer und nicht Störfaktor werden." "Kleine Zeitung" -Chefredakteur Georg Zankel bewertet den Sieg der SPÖ in Wien folgender Maßen: "Michael Häupl war das Zugpferd, ähnlich wie zuletzt Waltraud Klasnic in der Steiermark. Der Wiener Bürgermeister ist ein Prachtexemplar eines Fiakers, der jedoch nicht nur im Wirtshaus und am Naschmarkt den Ton und das Herz des Volkes trifft, sondern auch in der Diskussion mit Intellektuellen oder im Frack am Opernball gute Figur macht. Mit der gestrigen Wahlnacht ist die Bundeshauptstadt wieder das rote Wien geworden, das es mit Ausnahme der letzten fünf Jahre immer gewesen ist." "Für das im benachbarten Parlament herrschende schwarz-blaue Bündnis war die Wiener Wahl ein Desaster....Auch Jörg Haider konnte nicht verhindern, dass die Roten den Gemeindebau zurückeroberten. Ob die antisemitischen Untertöne jene Rolle spielten, wie das im Brennglas der Medien dargestellt wurde, ist fraglich. Die Polarisierung Häupl-Haider war ein Produkt aus Kalkül und Hysterie." Und weiter: "Schwarz-Blau hat jetzt zwei wahlfreie Jahre Zeit, die Wunden zu lecken. Die Koalition wird bis zur Nationalratswahl im Herbst 2003 halten...Ob es dann allerdings eine Fortsetzung geben wird, ist seit gestern unsicher geworden." "Krone"-Chef Hans Dichand alias "Cato" bewertet den Wahlausgang unter dem Titel "Die Lehren" u.a. folgender Maßen: "Es war Schüssels eigenbrötlerische Bundespolitik, die sich in Wien negativ auswirkte." Bei Bürgermeister Häupl würdigt Dichand seine "Volksnähe" und zur FPÖ meinte er: "Ihr manchmal seltsames verbales Verhalten hat doch geschadet. Aber immerhin ist sie zweite Partei geblieben. Man wird weiter mit ihr rechnen müssen." (APA)