Literatur
Leipziger Buchmesse schließt nach Rekordbesuch
Österreichische Verlage ziehen positives Resümee
Leipzig - Die vier Tage dauernde Leipziger Buchmesse geht Sonntag um 18 Uhr mit einem Rekordbesuch zu Ende gegangen: 65.000 Interessierte zog es zur großen
Frühjahrsschau der Bücher. Voriges Jahr waren es - den heuer nicht stattfindenden Bibliothekskongress abgerechnet - 57.000. 1937 Verlage aus 27 Ländern
präsentierten sich heuer in Leipzig.
Den deutlichen Zuwachs bei der Zahl deutscher Aussteller - von 1010 auf 1368 - führt der Sprecher der Geschäftsführung der Leipziger Buchmesse, Werner M.
Dornscheidt, auf die verstärkte Präsenz kleinerer und mittlerer Verlage zurück, aber auch auf den rasanten Sprung beim Hörbuch: "Das Hörbuch-Segment der
Leipziger Buchmesse ist inzwischen die größte Veranstaltung dieser Art", so Dornscheidt. Neben der Ausweitung des Hörbuch-Bereichs kam heuer erstmals die
Präsenz von Comics dazu.
Auszeichnungen
Die Leipziger Buchmesse war auch wieder Ort von Auszeichnungen: Den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung erhielt heute der italienische
Schriftsteller und Germanist Claudio Magris. Mit dem erstmals vergebenen Kurt-Wolff-Preis für verlegerisches Gesamtschaffen (350.000 Schilling) wurde der
Berliner Merve Verlag ausgezeichnet. Der Hörbuchpreis HörKules ging an den HörVerlag und den Interpreten von "Harry Potter und der Stein der Weisen", Rufus
Beck. Der neugeschaffene Italo Svevo-Preis wurde im Rahmen der Buchmesse erstmals an die Salzburger Autorin Kathrin Röggla vergeben. In einem sind sich alle österreichischen Aussteller einig: Es herrschte mehr Andrang als in den Jahren zuvor. In Einzelheiten gingen die Beurteilungen
der Leipziger Buchmesse, die Sonntag nach vier Tagen Ausstellungsdauer für heuer ihre Pforten schließt, allerdings auseinander. "Leicht frustriert", bezeichnet
Gerhard Ruiss von der IG Autorinnen/Autoren seine Empfindungen. Die Leipziger Buchmesse habe durchaus ihre Existenzberechtigung, doch sei es unübersehbar,
dass sie ihr Profil suche.
Ruiss sagte, es sei nichts von einer dynamischen Weiterentwicklung zu spüren. Die Messe kommerzialisiere, und das habe mehrere Gründe: Zum einen sei der neue
Standort auf dem Messegelände vor der Stadt zu früh gewählt worden. Leipzig habe nun das Problem, so viele Besucher wie einst dorthin zu bringen. Viele nicht
immer interessierte Schulklassen tummelten sich deshalb in diesen Tagen auf dem Gelände. Weiters seien die Ost-West-Beziehungen in der Thematik verloren
gegangen: "Das Interesse daran wurde ersetzt durch wirtschaftliches Interesse", so Ruiss. Als weitere Schwäche bezeichnete es der Geschäftsführer der IG
Autorinnen/Autoren, dass die Stadt ihre Buchmesse "über gewachsene Kontakte zusammenkriegen muss, aber Partner ausfallen." Der Stand eines chinesischen
Verlags gegenüber dem österreichischen Autorenstand ist bis zuletzt leer geblieben. Letzterer ist seit 1989 auf der Leipziger Buchmesse vertreten, profitiere aber laut
Ruiss "von Vorlaufkontakten".
Vereinsamung
Wer erstmals nach Leipzig komme, leide unter Vereinsamung, weil alles zufällig zusammengewürfelt erscheine. Schließlich kämpfe die Leipziger Buchmesse laut
Ruiss damit, dass die Frühjahrsproduktion in den Verlagen nicht auf März terminisiert werden könne, womit es sich in den meisten Fällen nicht um eine
Novitätenmesse, sondern um eine Neuauflage von Herbstnovitäten handle. Für Ruiss wäre es wichtig, für Leipzig, das sich zu einem wichtigen Wirtschaftsstandort
entwickle, Berlin zum Einzugsbereich zu machen und auf der Buchmesse Belletristik und Autorenlesungen zu konzentrieren.
Bei den österreichischen Verlagen herrscht allerdings durchwegs Zufriedenheit mit dem Geschäftsverlauf auf der Messe, ob es sich dabei um den Residenz- oder den
Deuticke-Verlag, die gemeinsam auftretenden oberösterreichischen Verlage oder den Vindobona-Verlag handelt: Der Titel "Im Visier", über eine spektakuläre
DDR-Flucht, treffe genau das Interesse der Menschen in Ostdeutschland, sagt Vindobona-Verlagschef Richard Chytra. Zu seinem Stand seien weit mehr
Journalisten und Leser gekommen als Buchhändler und Bibliothekare. "Sehr zufrieden" resümiert auch Petra Wodradovsky vom Ennsthaler-Verlag, Stammgast in
der sächsischen Stadt. Die Leipziger Buchmesse wird in erster Linie zur Kundenbetreuung wahrgenommen. Der Triton-Verlag war zum ersten Mal mit einem eigenen
Stand in Leipzig. "Gerade Jüngere sind interessiert an den nicht Bestseller verdächtigen Kunstbüchern", sagt Lucas Gehrmann von Triton. "Wichtig ist für mich, dass
es hier eine größere Aufmerksamkeit gegenüber den Inhalten gibt, während Frankfurt oberflächlicher ist. Dort geht es nur um Namen und Lizenzen, was für
Kleinverlage weniger interessant ist."
Aber nicht nur österreichische Verlage haben sich auf der Leipziger Buchmesse präsentiert, auch viele heimische Autoren waren wieder dabei: Doron Rabinovici
etwa, Josef Haslinger und Kathrin Röggla, die während der Messe mit dem Italo-Svevo-Preis ausgezeichnet wurde. (APA)