Alle reden von drahtlos. Dabei ist das doch längst passé. Ein alter Hut. Und Geschäfte, die auf drahtlos setzen, haben in Wien schon längst wieder zugesperrt. “Zu jeder Zeit” etwa. Keine Ahnung, wie lange der Laden schon zu ist. Auf alle Fälle schon so lange, wie ich fast jeden Tag an ihm vorbei gehe -- also doch das eine oder andere Jahr: “Zu jeder Zeit” war zu keiner Zeit offen. Aber die Auslage besticht immer noch. Am untersten Zipfel der Burggasse, knapp bevor sie sich zum Museumsquartier hin öffnet, versorgt das tote Lokal die Umgebung nicht nur mit der wohl tristesten Installation, die man aus zwei Keramikkatzen und einem beinahe handgeschnitzten chinesischen Miniatur-Naturszenendramolett in einer Zwergvitrine, sondern auch mit der Gewissheit, dass drahtloses Schalten schon lange vor Bluetooth und der CeBit 2001 eine ganz simple, tolle Sache war. Schalter Auf alle Fälle erzählt das staubige, vergilbte Plakat in der Auslage von “Zu jeder Zeit” die Geschichte der drahtlosen Schalterbedienung in den frühen 80er-Jahren: Vollbärtige Männer, löwenmähnige Frauen, pausbäckige Kinder - sie alle drücken fröhlich und verzückt auf Taster und Schalter, die an den seltsamsten Stellen und Orten liegen, hängen und kleben: Mitten auf dem Schreibtisch oder in Nasenhöhe am Kopfende des Bettes: “Zu jeder Zeit” (das Logo des Shops ist übrigens ein über das Tor gemaltes Zifferblatt einer Uhr, auf dem die Zeiger schon vor dem Zusperren des Geschäftes nicht montiert worden sind) erzählt zeitlos-staubig die Geschichte vom Traum eines modernen, angenehmen Lebens. Lebensfroh Aber das Eck Burggasse-Breitegasse dürfte ohnedies ein Hort der zeitlosen Lebensfreude sein. Jedenfalls erzählt mir das Peter jeden Tag. Peter ist nämlich der Wirt des gleichnamigen “Café-Stüberls” (so steht es am Portal) und ein fröhlicher Lebemann, der seinesgleichen sucht. Weil Peter das Leben schon frühmorgens zu genießen versteht: “Ab sechs Uhr früh das Leben genießen” steht auf jenem Werbeständer, der jeden Tag vor Peters Café-Stüberl am Gehweg steht. Darauf hat Peter eine Zigarette und eine durchgestrichene Zigarette gemalt. Ihn selbst gibt es auch zu sehen. Mehrfach. Zweimal hat sich Peter aufs Fenster seines Lokals geklebt. In Kellnermanier, mit Geschirrtüchel am krügeltragenden Handgelenk, eilt er auf seiner Scheibe dem das Leben genießenden Gast entgegen. Zeitlos In Wirklichkeit sitzt Peter aber lieber in seinem eigenen Lokal an einem der Fenstertische und schaut gar nicht so aus, als würde er ab sechs Uhr früh das Leben genießen. Eher ganz im Gegenteil. Manchmal wirken seine Brille, sein Bart und seine Haare dabei so staubig, wie die Vorhänge seines Lokals. Nur die Zigarette in Peters Hand verrät, dass er nicht so zeitlos eingefroren ist, wie die drahtlosen Katzen um die Ecke. Hundert Meter weiter präsentiert sich Wien im Museumsquartier gnadenlos modern und in der Zeit - aber als “memento mori” passen Peter und das leere Geschäft ganz hervorragend in dieses Setting einer Stadt, die versucht, aufzuwachen.