Warum die "Krone" Mittwoch so aufgeregt vom "Endkampf um den ORF" schlagzeilte, war spätestens mit der Präsentation des Berichts des Weisenrates (Gerd Bacher, Fritz Csoklich, Heinrich Keller, Alfred Payrleitner) klar: Marktbeherrschende Medien sollen nicht mehr im ORF werben dürfen - nämlich jene, die bundes- oder bundeslandweit mehr als 30 Prozent Reichweite haben. Für Heinrich Keller fällt die Verlagsgruppe News darunter (weil als Gruppe weit mehr als 30 Prozent), Bacher teilt diese Interpretation nicht. Auftrag für "differenziertes Gesamtprogramm" Die von der Regierung eingesetzten vier Weisen empfehlen ein Verbot von Unterbrecherwerbung, massive Einschränkungen von Product Placement und strenge Richtlinien für Sponsoring von Sendungen. Für den Programmauftrag des ORF wird ein "differenziertes Gesamtprogramm", in dem "anspruchsvolle Inhalte gleichwertig vertreten" sein sollen, festgeschrieben. Unabhängigkeit "Pflicht" Weiters sei Unabhängigkeit eine "Pflicht" des ORF. Hier nennt das Papier der Weisen auch "Unabhängigkeit von anderen Medien, seien es elektronische oder Printmedien, oder seien es politische und wirtschaftliche Lobbys". Medienunternehmen, die auf eine Reichweite von über dreißig Prozent kommen, sollen denn auch in Zukunft keine Werbung mehr im ORF schalten dürfen. "Schleichwerbung ist unzulässig", heißt es darüber hinaus in dem Papier der "Weisen." Bacher: "Dem ORF wird alles zugesichert, was ihm zusteht" Es habe im Vorfeld des Berichts der vier ORF-Weisen "viele Vermutungen und Unterstellungen" gegeben, erklärte Gerd Bacher am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Keinesfalls aber sei es ihm und seinen "weisen" Kollegen um eine Schwächung oder Einschränkung der Möglichkeiten des ORF gegangen. So werde etwa die "Wettbewerbstauglichkeit" des ORF explizit erwähnt. "Dem ORF wird alles zugesichert, was ihm zusteht", betonte Bacher in Bezug auf Werbeformen. Ausschließlich gewisse "Auswüchse" sollten beseitigt werden, die aber finanziell "garantiert nicht ins Gewicht fallen". So manche "Sonderwerbeform" gäbe es gar nicht, wenn Österreich bereits über privates terrestrisches Fernsehen verfügen würde, meinte Bacher: Denn dann würden sich die Konkurrenten per Wettbewerbsrecht wehren. Geht es nach den "Weisen", sollen einige Limitierungen für den ORF auch in das Gesetz aufgenommen werden. Keine "dramaturgischen Pausen" So ist nach Ansicht von Csoklich, Bacher, Keller und Payrleitner Unterbrecherwerbung im ORF "unzulässig". Allein bei Sportsendungen und Sendungen über "ähnlich strukturierte Ereignisse" dürften Pausen für Werbeeinschaltungen genutzt werden. "Diese Pause muss dem echten Handlungsverlauf entsprechen", führte Bacher aus. "Dramaturgische Pausen" dagegen wollen die "Weisen" nicht gelten lassen. Unterbrecherwerbung war im ORF zuletzt in der "Millionenshow" und in "Taxi Orange" eingesetzt worden, eine Abstinenz für die zweite Staffel der Taxi-Soap hatte ORF-Generalintendant Gerhard Weis vor kurzem angekündigt. "Sehr keusch" müsse sich der ORF auch auf dem Medienmarkt verhalten, so Bacher. Auf Grund der "unglaublichen Medienkonzentration" sollen Medienunternehmen (Tageszeitungen, wöchentliche Magazine und Radios), die eine "bundesweite oder bundeslandweite" Reichweite von mehr als 30 Prozent haben, sollen nach den Vorstellungen der "Weisen" keine Werbezeiten im ORF bekommen. Auch Vertriebskooperationen oder Veranstaltergemeinschaften mit Medieninhabern dieser Größenordnungen sollen verboten werden. Restriktion für "Krone" - Und "Formil"? Betroffen von einer solchen Restriktion wäre jedenfalls die "Kronen Zeitung". Ob auch die Magazine der News-Gruppe unter diese Klausel fallen würden, ließ die Arbeitsgruppe insgesamt offen, obwohl Heinrich Keller die Ansicht vertrat, dass beim Medienverbund "Format"/"profil" ein "Meinungsmonopol" vorliege. Sein Kollege Csoklich schloss sich dieser Position an. Weitere Regelungen für Werbeformen sehen die "Weisen" für Sponsoring und Patronanzen vor. Product Placement außerhalb von Werbesendungen ist dem Papier zufolge grundsätzlich unzulässig, Ausnahmen jedoch sind vorgesehen. Bei Sportsendungen etwa müsse die "Wahrnehmung der Informationspflichten" durch den Ankauf von teuren Senderechten bewerkstelligt werden, die "Erwähnung oder Darstellung von Waren oder deren Herstellern" ist in diesem Fall kein Product Placement. Ebenfalls nicht verboten ist diese Werbeform in Kinofilmen, Fernsehfilmen und TV-Serien, so der Vorschlag der "Weisen". Zum Programm- und Versorgungsauftrag des ORF Der ORF solle im Rahmen seines öffentlich-rechtlichen Auftrags Information, Kultur, Unterhaltung und Sport "für alle" anbieten. "Jede Generationen- und Geschmacksapartheid lehnen wir ab", betonte Gerd Bacher. Programmaufträge könne man allerdings "nicht eindeutig und wasserdicht formulieren", gab er zu bedenken. Konkrete Vorschläge der Weisen beziehen sich daher vor allem auf die Ausgewogenheit des Programmangebots. Das Gesamtprogramm müsse "anspruchsvolle Inhalte gleichwertig enthalten", die Jahres- und Monatsschemata des Fernsehens seien so zu erstellen, "dass jedenfalls in den Hauptabendprogrammen anspruchsvolle Programme zur Wahl stehen". Als Programm mit Anspruch wollen die "Weisen" durchaus auch Unterhaltungssendungen gelten lassen. Im Wettbewerb mit den kommerziellen Sendern sei aber "in Inhalt und Aufritt auf die Unverwechselbarkeit des öffentlich-rechtlichen ORF zu achten", so eine weitere Vorgabe. "Schleichende Privatisierung des ORF" Heinrich Keller verwies in diesem Zusammenhang auf die "schleichende Privatisierung des ORF" in programmlicher und werblicher Hinsicht als einen Grund für seine Mitwirkung am "Weisenbericht". Die Formulierung des Papiers sei durchaus nicht einfach gewesen, berichtete er. Keller betonte, er sehe sich als Vertreter der Sozialdemokratie, "aber ich fühle mich offensichtlich als anderer Sozialdemokrat als die anderen Sozialdemokraten, die das Papier bereits vor Erscheinen kritisiert haben". Die Opposition hatte am Dienstag im Parlament die Pläne der Regierung für die ORF-Reform sowie die Zusammensetzung des "Weisenrats" scharf attackiert. Die "Weisen" betonten wiederholt, dass ihr Papier nur einen Vorschlag darstelle und die Formulierung des Entwurfes für das neue ORF-Gesetz der Regierung obliege. "Ich glaube nicht, dass Bundeskanzler Schüssel gemeint hat, das wird eins zu eins ins Gesetz übernommen", so Bacher, der die "voraussetzungslose Zusammenarbeit" mit der Politik lobte. "Wir sind aber der verwegenen Meinung, dass ein hoher Prozentsatz davon Gesetz wird". "Wir lösen uns formlos wieder auf" Eine Position im "ORF neu" nach der Reform werde von ihnen nicht angestrebt, betonten die vier "Weisen" unisono: "Keiner der Herren hat eine Absicht, im Stiftungsrat oder sonstwo aufzuscheinen. Wir lösen uns formlos wieder auf", erklärte Bacher.(APA/red)