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Wien - Justizminister Dieter Böhmdorfer (F) hat am Mittwoch im Nationalrat die Vorwürfe von Untersuchungsrichter Stefan Erdei, er sei in Sachen Spitzelaffäre von der Staatsanwaltschaft nicht ausreichend informiert worden, zurückgewiesen. Die Vorwürfe "sind unberechtigt und lassen ein Missverständnis des richterlichen Rollenbildes im strafrechtlichen Vorverfahren erkennen", sagte Böhmdorfer in Beantwortung der Dringlichen Anfrage der SPÖ. Unter Hinweis auf den zuständigen Personalsenat beim Oberlandesgericht betonte der Minister, dass eine Versetzung - korrekt Zuweisung - Erdeis nicht vorgesehen "war und ist". Wenn Erdei in einem Interview gesagt haben solle, dass man ihn sogar nach Kärnten versetzen könne, "unterliegt er einem doppelten Rechtsirrtum". Es würde sich nämlich nicht um eine Versetzung, sondern um eine Zuweisung handeln. Und außerdem schließe das Gesetz Zuweisungen außerhalb des Oberlandesgerichtssprengels - hier Wien, Niederösterreich und Burgenland - aus. "Er unterliegt einem doppelten Rechtsirrtum" Böhmdorfer unterstrich, dass "nach nunmehr einhelliger Judikatur" der U-Richter seine Ermittlungen auf den vom Antrag des Staatsanwaltes vorgegebenen Umfanges zu beschränken habe. "Außerdem ist er nicht befugt, diese Antragstellung auf ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen... Es steht daher auch dem Staatsanwalt die Entscheidung zu, welches Aktenmaterial dem Untersuchungsrichter für die Durchführung der von ihm beantragten Erhebungsschritte zu übermitteln ist." In Sachen der so genannten "Spitzelaffäre" sei der Akt getrennt worden - und zwar in die von der Staatsanwaltschaft Wien bereits enderledigten (eingestellten, Anm.) Fakten und in den Teil, wo nach Ansicht der StA konkrete gerichtliche Vorerhebungen nötig sind. Letzterer wurde Erdei Mitte März übermittelt. Den zu Grunde liegenden Abschlussbericht der Wirtschaftspolizei "hat die Staatsanwaltschaft Wien dem Untersuchungsrichter aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht mitübersendet", erklärte Böhmdorfer. Darin seien nämlich auch die bereits eingestellten Fakten und nicht-verfahrensgegenständliche Komplexe enthalten. "Unglaubliche Welle politischen Drucks" Nachdem Erdei seine Bedenken in einem Aktenvermerk niedergelegt habe, habe die Staatsanwaltschaft die Wirtschaftspolizei ersucht, einen umfassenden Abschlussbericht zu übersenden. Mittlerweile habe Erdei alle Unterlagen vollständig - also auch beide Berichte der Wirtschaftspolizei - erhalten. Weisungen oder Empfehlungen, welche Akten dem U-Richter übermittelt werden, habe es keine gegeben. In Sachen "Binder-Brief" sagte der Minister: Das Gutachten des Sachverständigen Christian Grafl, wonach der umstrittene Brief doch von Jörg Haiders Leibwächter stammen könnte, habe "keinen Einfluss auf die bereits erfolgte Enderledigung bezüglich Dr. Haider". Grafl habe den Brief selbst nicht begutachtet. "Einer Beurteilung enthalten" wollte sich Böhmdorfer in der Frage, ob der "Binder-Brief" eine Fälschung sei; auch die Qualifikation von Erst-Gutachter Walter Muckenschnabel wolle er nicht kommentieren. Das Verfahren gegen Haider und Ewald Stadler sei eingestellt worden, weil die Verjährungsfrist abgelaufen sei, könne aber "theoretisch" formlos wieder aufgenommen werden. Zu manchen Fragen - etwa welche Aktenvermerke es seitens der Staatsanwaltschaft gab -, berief sich Böhmdorfer auf die Amtsverschwiegenheit oder auch darauf, dass derartige Aktenvermerke von U-Richtern Gegenstand des Strafaktes seien und daher nicht dem parlamentarischen Interpellationsrecht unterlägen. SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Andrea Kuntzl hat in der Begründung der Dringlichen von einer "unglaublichen Welle politischen Drucks" auf die ermittelnden Beamten gesprochen. Sie äußerte auch den Verdacht, dass der Endbericht der Wirtschaftspolizei "geschönt" werden sollte. Böhmdorfer sei "Parteianwalt der FPÖ geblieben und stellt die Interessen der Partei über die Interessen des Rechtsstaates", meinte Kuntzl und forderte ihn deshalb zum Rücktritt auf. (APA)