Wien - Das Dorotheum sah sich, wie vom STANDARD exklusiv gemeldet, vergangene Woche gezwungen, kurz vor der Altmeister-Auktion zwei als Raubkunst identifizierte Gemälde zurückzuziehen. Sie wurden bis zur Klärung der Besitzverhältnisse in Verwahrung genommen. Der aktuelle Fall demonstriert die Schwierigkeiten und Probleme der Auktionshäuser im Umgang mit Raubkunst und deren Restitution: Ein kaum zu bewältigender Rechercheaufwand steht gegen moralische Verpflichtungen, und eine vormals eindeutige Rechtslage wurde durch neue Regelungen "aufgeweicht". Die beiden Gemälde von Norbert Joseph Grund, auf je 80.000 bis 120.000 Schilling geschätzt, waren bis 1941 Teil einer holländischen Privatsammlung, die von den Nationalsozialisten konfisziert wurde. Die mittlerweile in England ansässige Familie macht nun ihre Besitzrechte geltend: zeitgenössische Fotos und eine genaue Größenangabe - auf welchem Malgrund, weiß man nicht mehr. Anne Webber, Vorsitzende der Comission for Looted Art in London erhebt gegen das Dorotheum trotz der Zurückziehung Vorwürfe. Weder sei man bereit, die Bilder zu restituieren, noch, genaue Angaben über den Einbringer zu machen; zu beidem ist das Auktionshaus allerdings rechtlich nicht bemächtigt. Aller Voraussicht nach müssen die Gerichte bemüht werden, schon deshalb weil der "Ort der Begebenheit" Deutschland bleibt. Bereits 1988 gelangten die Gemälde anlässlich einer Auktion bei Lempertz (Köln) zur Versteigerung, wo sie der jetzige Besitzer, ein süddeutscher Händler, im "guten Glauben" erwarb. Auch die damaligen Einbringer kauften die Bilder in den 60ern "gutgläubig". Anders als in Österreich, wo der Kauf bereits die Eigentumsverhältnisse klärt, wird man in Deutschland erst nach zehn Jahren rechtmäßiger Eigentümer des Kunstwerkes. Gleichzeitig verjähren dann etwaige Ansprüche Dritter. Lempertz arbeitet sowohl mit dem vor 15 Jahren initiierten Art Loss Register sowie dem Bundeskriminalamt zusammen. Die Grund-Gemälde wurden, so Henrik Hanstein (Lempertz), nie als gestohlen gemeldet, womit das Dorotheum der eingeforderten Verantwortung gar nicht hätte nachkommen können. Folgt eine Klage? Im schlimmsten Fall muss das Dorotheum als Verwahrer der Gemälde jetzt mit einer Schadensersatzklage seitens des Einbringers rechnen. Basierend auf den deutschen Gesetzen, ist dieser nach der Zehnjahresfrist gar nicht verpflichtet, den Eigentumsnachweis zu erbringen. Hanstein ist selbst ein Betroffener. 1945 wurde die Sammlung seines Großvaters von Alliierten geplündert; sie ist heute auf der ganzen Welt verstreut. Er kennt einige der "neuen" Besitzer, aber auch jene Paragraphen, die deren Ansprüche regeln. Etwaigen Schadenersatzforderungen seitens des Eigentümers könnte das Dorotheum mit dem Ankauf der Bilder entgehen. Da vermutlich Raubkunst, wäre juristisch aber nicht mehr vom "Erwerb im guten Glauben" auszugehen. Dies sei, so die Rechtsabteilung des Dorotheums, ohnedies nicht geplant. Aber man ist sich im Klaren, dass künftig ohnedies neben juristischen vor allem moralische Verpflichtungen bestimmend bleiben werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30. 3. 2001)