Linz - Seit die Bundesregierung im November 2000 Entschädigungszahlungen für ehemalige Zwangsarbeiter beschlossen hat, ist die Zahl der Anfragen der heute noch lebenden Betroffenen sprunghaft gestiegen. Alleine im Vorjahr und im ersten Quartal des heurigen Jahres hat das oberösterreichische Landesarchiv mit einer eigens eingerichteten "Zwangsarbeiter-Clearingstelle" 1200 "Personenfälle" behandelt. Damit verbunden sind oft mehrmalige Briefwechsel und weitere Anfragen an Gemeinden oder die Gebietskrankenkasse.

Nach Schätzungen leben noch etwa 150.000 ehemalige Zwangsarbeiter vor allem in Polen, der Ukraine, Tschechien oder Russland. Über die nationalen Opferverbände können sie ihre Ansprüche in Österreich geltend machen. Dafür brauchen sie aber Nachweise, dass sie in Industrie oder Landwirtschaft während des Zweiten Weltkrieges in Österreich tätig waren.

Und spätestens hier beginnt die Detektivarbeit für das Landesarchiv. Siegfried Haider, Leiter des Landesarchives, berichtet von oft unvollständigen Orts- und Zeitangaben in den Anfragebriefen. Die meisten der "Ehemaligen" seien schon sehr betagt und könnten sich kaum mehr erinnern, viele Namen seien ihnen bloß vom "Hörensagen" bekannt. Viele Schreiben seien in kyrillischer Schrift verfasst, müssten erst übersetzt werden. So erzählt Haider von einem Brief, in dem von "Andri Kusin Sankinorgin" als Einsatzort eines Zwangsarbeiters die Rede war. Nach vielen Recherchen war klar: Es handelt sich um die Marktgemeinde "St. Georgen an der Gusen". Berührend ist für Archivar Haider auch, wie "flehentlich" und "demütig" die Schreiben oft verfasst seien. Darin erinnern sich die Menschen im Guten wie im Bösen an ihre Zeit als Zwangsarbeiter im ehemaligen "Oberdonau". (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 30.3.2001)