Das Ergebnis der Wiener Wahl vom letzten Sonntag mag etwas über die gegenwärtige politische Lage aussagen, über den Ausgang der Legislaturperiode sagt es nichts. Der Bundeskanzler zelebriert nach außen unverdrossen Absentismus, die freiheitlichen Funktionäre flattern durch die Gegend wie aufgescheuchte Hühner, aber sie hätten gute zwei Jahre ohne Wahlen Zeit, sich wieder zu beruhigen, und die goldenen Eier zu legen, mit denen sie die Wähler, die ihnen während ihres ersten Regierungsjahres verloren gegangen sind, besänftigen wollen. Ob das reichen wird, jene Bürger ins blaue Lager zurückzuholen, die diesmal massenhaft zu Hause geblieben sind, weil ihnen die Folgen schwarz-blauen Regierens stagelgrün aufliegen, ist zurzeit nicht zu sagen. Das Herz-Schmerz-Gezeter des einfachen Mitgliedes wird sicher nicht reichen. Dass die Haider-FPÖ mit der Übernahme von Regierungsverantwortung an einem Wendepunkt ihrer wechselvollen Kurzgeschichte angelangt ist, war seit Februar 2000 klar, drastisch vor Augen geführt wurde es ihr erst letzten Sonntag: Irgendwann ist der Spagat zwischen Regieren und Opponieren, zwischen Verantwortung und Populismus, zwischen eiskalter Budgetsanierung und hitziger Anschmeißerei an die "kleinen Leute", zwischen Führerpartei und Demokratie nicht mehr unbeschadet durchzuhalten. Offenbar wurde die Diskrepanz nicht so sehr durch die eigenen Verluste. Die FPÖ unter Haider hatte wiederholt Rückschläge einzustecken, von denen sie sich immer wieder erholte, vor allem deshalb, weil ihre Gegner ebenfalls keine besonders gute Figur machten. Auch diesmal hätten die Argumente, mit denen man die eigenen Verluste zu beschönigen versuchte, ihre Wirkung letztlich nicht verfehlt, zumal sie zweitstärkste Partei geblieben ist. Was sich nicht weg erklären lässt, ist die für Haider neue Erfahrung, dass es einen überzeugenden Helden gibt - und das ist nicht er. Strahlende Sieger zu verhöhnen, wenn man selbst schmählich verloren hat, das kommt nicht gut an, und wo sich die übliche Verächtlichmachung des Gegners aufhört, bleibt nur noch die Flucht in jene Grippe, die mit schwerem Reformfieber verbunden ist. Der glücklose Führer verstößt die Paladine, die er selber erschaffen hat und die nur exekutiert haben, was er gut hieß, nach dem bekannten Muster: Das blaue Volk ist meiner nicht würdig. Denen hängt er einerseits beim Hals heraus, andererseits wissen Vizekanzlerin und Minister, dass sie ohne ihn nichts sind: Nicht nur hat er Parteibasis und mittlere Funktionäre hinter sich: Jörg Haider - und nicht sein farbloses Regierungsteam - garantiert überhaupt erst die Unterscheidbarkeit der FPÖ von der Volkspartei und damit ihre Erkennbarkeit für den Wähler. Solange sich daran nichts ändert - und er wird alles daran setzen, dass es bleibt wie bisher -, mutet auch das nun aufkommende Gerede von einer Reform der freiheitlichen Partei nur wie ein postelektorales Hinwegschwindeln über Tatsachen an, die man doch nicht ändern kann. Klar, man kann den einen oder anderen Generalsekretär abhalftern. Jörg Haider aber hat sich mit seinem formalen Rückzug nach Kärnten in den Rang eines sakralen Führers neben der weltlichen Parteichefin erhoben, der beansprucht, über ihr, und über dem Bundeskanzler sowieso, zu thronen. Nur seine Entfernung aus dieser Rolle wäre tatsächlich eine Reform der FPÖ. Die diesen Frevel wagen wollen, laden allerdings einen schweren Fluch auf sich: Sie berauben die Partei ihrer "unique selling proposition", was die Götter garantiert mit Verstoßung aus den Regierungsämtern ahnden. Da bleibt die FPÖ schon lieber, was sie ist. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31.3./1.4. 2001)