Musik
"Deutschlands heißeste Oma" ist tot
Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin - Evelyn Künneke starb mit 79 Jahren
Berlin - Die Berliner Sängerin, Tänzerin und
Schauspielerin Evelyn Künneke ist tot. Sie erlag am Samstag im Alter
von 79 Jahren in einer Klinik ihrem Krebsleiden, sagte ihre Freundin
Gaby Blödt der dpa. Künneke, die "fast bis zum Schluss prall gelebt
und gearbeitet" habe, sei friedlich gestorben.
Künneke sah sich gern als "Deutschlands heißeste Oma". Die Tochter
des "Operettenkönigs" Eduard Künneke (1885-1953), den die einstige
"Wehrmachtsbetreuerin" auch "EK I" nannte, verkörperte rund ein
halbes Jahrhundert deutscher Showgeschichte - vom Kabarett über das
Variete bis zum Schlager.
"Callas der Subkultur"
"EK II" wurde vom Star zum "Anti-Star" und zu einer in
Kleinkunstbühnen und Kellerlokalen viel gefragten "Callas der
Subkultur". So stand sie in den letzten Jahren zusammen mit Helen
Vita und Brigitte Mira in der ständig ausverkauften selbstironischen
Revue "Drei alte Schachteln" auf der Bühne. Die "zusammen so um die
230 Jahre alten Damen", wie ein Kritiker meinte, sangen: "Was wollt
ihr mit drei knödelnden Tenören, hier habt ihr noch drei echt
Berliner Gören." Vita starb im vergangenen Februar.
Evelyn Künneke tingelte als "letzte Überlebende der 'Lili
Marleen'- Generation" ihres Fachs mit ihrer reizvoll brüchigen Stimme
durch die Szene-Lokale, um die alte deutsche Schlagerseligkeit von
Hans Albers bis Lale Andersen sehnsuchtsvoll und mit ironischer
Distanz wiederauferstehen zu lassen. Dabei hatte sie selbst in jenen
frühen Jahren kräftig mitgemischt. "Sing, Nachtigall, sing ein Lied
aus alten Zeiten" war bei den deutschen Soldaten des Zweiten
Weltkriegs neben "Lili Marleen" einer der beliebtesten Schlager. Und
ihr "Winke, winke" war in den 50er Jahren einer der populärsten Hits.
Comeback in den 70-ern
Dass Evelyn Künneke aber auch bei der jüngeren Generation noch
Erfolg hatte, ging auf ihr Comeback in den 70-er Jahren zurück, als
sie Zugang zur "Szene" um die jungen Filmemacher wie Rainer Werner
Fassbinder und Rosa von Praunheim fand, der mit ihr auch das Porträt
"Ich bin ein Anti-Star" drehte.
Die geborene Berlinerin Eva-Susanne wuchs teilweise in Amerika
auf. Ihr Vater hielt von ihrem musikalischen Talent nicht viel. Gegen
ihre Karriere sprachen auch, wie sie später bekannte, "meine X-Beine,
die Kurzsichtigkeit, mein Gardemaß von 1,79 Meter und irgendwie auch
die Berühmtheit meines Vaters." Als Geza von Cziffra sie in einem
Revuefilm mit Johannes Heesters einsetzte und sie dann mit Peter
Igelhoff als Tänzerin auf Variete-Tour ging, begann ihre steile
Karriere auch als Chansonsängerin.
Nach dem Krieg war die einstige Solotänzerin an der Berliner
Staatsoper auch eine der besten Swingstimmen Deutschlands und erhielt
fünf Goldene Schallplatten. Im vergangenen Jahr wurde Evelyn Künneke
mit einer "Goldenen Kamera" für ihr Lebenswerk geehrt. (APA/dpa)