München - "80 Jahre und kein bisschen leise": Hildegard Hamm-Brücher, "Grande Dame" der deutschen Liberalen und ehemalige Bundespräsidentschaftskandidatin, hat die Berufspolitik schon vor zehn Jahren an den Nagel gehängt. Doch in den Ruhestand ist sie nicht gegangen. Unermüdlich kämpft die Ex-Ministerin für ihr politisches Herzensanliegen: mehr Mitspracherechte der BürgerInnen in der Demokratie. Eine Verschnaufpause gönnt sie sich nur zu ihrem 80. Geburtstag an diesem Freitag (11. Mai): "Da tauche ich unter". ... dass auch eine Frau Präsidentin sein kann Ihren größten Auftritt auf der bundespolitischen Bühne hatte Hamm-Brücher 1994 bei der Bundespräsidentenwahl, die Roman Herzog gewann. Auch wenn sie als Kandidatin der FDP von vornherein keine Chance hatte und noch dazu im dritten Wahlgang von der eigenen Partei dem Koalitionskalkül geopfert wurde, bereut sie ihr Antreten bis heute nicht: "Ich bin froh, dass ich das gemacht habe", sagt sie ohne Bitterkeit. "Seither können sich die Leute vorstellen, dass auch eine Frau dieses Amt übernehmen kann." Den Mut zum politischen Engagement hatte der "HB" einst Deutschlands erster Bundespräsident Theodor Heuss gemacht. "Mädle, Sie müsset in die Politik", sagte er der jungen Chemie-Doktorin. 1948 zog die gebürtige Ruhrpottlerin als Rathaus-Jüngste für die FDP in das Münchner Stadtparlament ein. Von Anfang an focht sie mit Stehvermögen, Charme und einer gehörigen Portion Eigensinn für liberales Selbstverständnis. Im bayerischen Landtag (1950-1966) machte sie sich unter anderem mit ihrem vehementen Einsatz gegen die Prügelstrafe und Knabenschulen einen Namen. Staatssekretärin und Ministerin Für ihre schönste Zeit hält Hamm-Brücher im Rückblick die sozialliberale Koalition in Bonn (1969-82) unter den SPD-Kanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt. 1969 wurde sie Bildungsstaatssekretärin und 1976 Staatsministerin im Auswärtigen Amt. "Entspannungspolitik und die Aussöhnung mit unseren Nachbarn im Osten bewegten uns damals sehr", erinnert sie sich. "Da war ich mit meiner Partei völlig im Reinen. Das hat es vorher und nachher nie wieder so gegeben." Für Furore nicht nur in den eigenen Reihen sorgte die mit einem eingefleischten CSU-Mann verheiratete FDP-Politikerin 1982 durch ihre couragierte Anti-Wende-Rede, als sie den Wechsel ihrer Partei hin zu CDU/CSU scharf kritisierte. Jahrelang steckte die Fraktion sie dafür in den "liberalen Strafvollzug". Als die bayerische FDP 1998 mit einer klaren Koalitionsaussage zu Gunsten der CSU in den Landtagswahlkampf zog, gab sie aus Protest ihr weißblaues FDP-Parteibuch zurück. Ihre Beiträge zahlt sie seither direkt an die Bundeskasse der Liberalen. Auch die heutige Entwicklung in der FDP-Führung begleitet Hamm-Brücher mit skeptischer Distanz. "Wir haben es nicht nötig, dem Zeitgeist hinterher zu laufen", sagt die alte Dame mit dem schlohweißen Haar. Der jungen Spitzengarde der Partei wünscht sie mehr Bodenhaftung und Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln. "Erinnern für die Zukunft" hat sie deshalb nicht ohne Grund ihr jüngstes Buch genannt, das ihre ehrenamtliche politische Arbeit im vergangenen Jahrzehnt dokumentiert. (Nada Weigelt/dpa)