Wien - Da stehen sie in ihren Allerweltsklamotten und gucken Löcher ins Publikum. 20 junge Menschen, die an diesem hochmusikalischen Abend einfach nur sie selbst sind und streng genommen nichts zu sagen haben. Jedenfalls nichts, wovon herkömmliche Theaterabende künden. Hin und wieder summen sie bei einem der Popsongs mit, bewegen ihre Hüften und stehen dann wieder da. In einer Reihe und blicken uns an.

The show must go on! heißt dieser Wiener-Festwochen-Abend des französischen Choreographen Jérôme Bel in der Halle G des Museumsquartiers, dieser mitunter kitschige, oft komische und manchmal einfach nur schöne DJ-Abend. Ein Abend, der eigentlich eine einzige Verweigerung ist. Denn fraglich bleibt, welche Show gemeint ist. Die 90-minütige Aneinanderreihung von Hitparadensongs wohl nicht. Die Show findet irgendwo anders statt, weniger auf als vor der Bühne: Bel, einer der Spitzfindigsten seiner Zunft, choreographiert nicht so sehr die Spieler, sondern das Publikum.

Es beginnt mit Tonight aus der West Side Story und endet mit Queens titelgebendem The show must go on. Dazwischen plätschern all die Greatest Hits mehrerer Dekaden aus der mit dem Rücken zum Zuschauerraum stehenden DJ-Dose, all die gefühlsverwirrenden Ohrwürmer, die auf Lebzeiten ins Gedächtnis gebrannt sind.

Ein Pop-Schauer, eine geballte Gute-Laune-Ladung, die allerdings im wundersamen Kontrast zu dem Wenigen steht, das auf der Bühne passiert. Das Licht wird gelb (Yellow Submarine), das Licht wird rot (La vie en rose), die Jungs und Mädels bewegen verzückt ihre Glieder, spielen Ballerina und Titanic und lassen uns dann wieder allein. Allein mit einem DJ, der an diesem Abend wirklich ein Gott ist und schon mal selbst ein Tänzchen wagt.

Und allein mit uns selbst und den Menschen rund um einen herum, denen jede Menge zum Nichtgeschehen einfällt. Da werden unbescholtene Theatergänger schön langsam nervös, während andere aufspringen und tanzen, da zücken Kulturjournalisten ihre Feuerzeuge oder geben laut Kommentare ab. Wer noch nie etwas vom Funken gehört hat, der von der Bühne auf die Betrachter überspringt, der kann ihn spätestens bei Bel glühen sehen.

Das funktioniert natürlich nur, weil hinter der anscheinenden Beliebigkeit des Abends gutes Timing und feines Kalkül steckt. Bel seziert den Amüsiertempel und bringt ihn dabei zum Tanzen. Die Show, die am Hamburger Schauspielhaus anfangs die Gemüter spaltete, scheint mittlerweile so etwas wie Kult geworden zu sein. Eine popsozialisierte Generation verständigt sich darin über Verbindlichkeiten. Im Theater als einem der ursprünglichsten Kommunikationsräume sollte dafür allemal Platz sein.
(STANDARD-Mitarbeiter Stephan Hilpold/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28. 5. 2001)