Brüssel - Vertreter der EU-Beitrittskandidaten artikulieren ihre Unzufriedenheit mit den geplanten Übergangsfristen beim freien Personenverkehr. Die Ungarn wollen gar den Spieß umdrehen. Wenn die EU nach dem Beitritt seines Landes spezielle nationale Arbeitsbestimmungen für Osteuropäer schafft, dann will auch Ungarn seinerseits eine spezielle Regelunge für den Zuzug von Arbeitern aus der bisherigen EU, sagte der ungarische Chefverhandler Endre Juhasz am Freitag in Brüssel, nachdem ihm offiziell die gemeinsame Position der EU zum freien Personenverkehr vorgestellt worden war. Darin fordern Österreich und Deutschland sieben Jahre Übergangsfrist für den Zuzug von Arbeitern und für die Erstellung ausgewählter Dienstleistungen. Die ungarischen nationalen Bestimmungen würden auch für Arbeiter und Dienstleistungen gelten, so Juhasz. Um der Niederlassungsfreiheit zuzustimmen, wünscht sich Ungarn eine klare Stellungnahme aller bisherigen EU-Staaten, wie sie die nationalen Maßnahmen zum Zuzug von Arbeitern umsetzen wollen. Auch sollten Deutschland und Österreich sich verpflichten, den Zuzug ungarischer Arbeiter im Vergleich zur derzeitigen Lage substanziell zu verbessern, selbst wenn es nicht zu einer völligen Liberalisierung kommt. Landkauf-Regulierung Verknüpft damit forderte Juhasz auch Beschränkungen für den Landkauf für EU-Bürger in Ungarn. Es sei den Menschen in den Grenzregionen seines Landes nicht verständlich, wenn sie weder in Österreich arbeiten noch dort bestimmte Dienstleistungen anbieten könnten, zugleich aber Österreicher frei Land erwerben könnten. Freie Bauern könnten jetzt auf zehn Jahre Land leasen, ein allfälliger Wunsch in Ungarn Land zu bewirtschaften sei daher nicht ausgeschlossen. Auch könnten Arbeit suchende Polen nach Ungarn umgelenkt werden, wenn Deutschland und Österreich ihren Arbeitsmarkt schließen, warnte Juhasz. Die Forderungen der beiden Länder hätten daher unabsehbare reale Folgen. Trotz aller Probleme sei Ungarn immer noch optimistisch, das Kapitel "rasch" abzuschließen. Ob dies schon beim nächsten Außenministertreffen am 11. und 12. Juni in Luxemburg sein könne wollte Juhasz nicht kommentieren. Fristen unbegründet Die EU begründe ihre Forderung nach Übergangsfristen beim Zuzug von Arbeitern mit "politischen Empfindlickeiten". "Eine relativ seltsame Bemerkung" in der Position der EU sei der Vorwurf, die Kandidatenländer hätten noch keine Daten über Migrationsströme vorgelegt. Üblicherweise müsse jenes Land, das eine Übergangsfrist fordert, die Daten zur Untermauerung seines Wunsches beisteuern, hielt der tschechische Chefverhandler Pavel Telicka fest. Dennoch sehe Tschechien in der gemeinsamen Position der EU "verhandelbare Elemente". Insbesondere wäre es "hilfreich" und "sehr substanziell", sollte sich herausstellen, dass nur Deutschland und Österreich ihren Arbeitsmarkt für Arbeiter aus den neuen Mitgliedsländern sperren wollen, die anderen EU-Staaten hingegen ihre Märkte öffnen. Tschechien erwarte sich von den Mitgliedsländern genauere Definitionen der geplanten nationalen Maßnahmen. Auch seien die Rolle der EU-Kommission und die objektiven Fakten bei der Verlängerung der Übergangsfristen zu klären. Ausnahmen für gewisse Dienstleistungen "Ein Problem" seien für Tschechien die von Deutschland und Österreich geforderten Ausnahmen für ausgewählte Dienstleistungen. Das sei zwar mehr eine Schutzklausel als eine Übergangsfrist, könnte aber vielleicht sogar größere Probleme schaffen als die Beschränkungen für den Zuzug von Arbeitern, sagte Telicka. Die EU solle sich auch überlegen, ob sie mit solchen Forderungen die Zustimmung zum EU-Beitritt in den Kandidatenländern nicht untergräbt, so Telicka. Polens Chefverhandler Jan Kulakowski wies darauf hin, dass es aus Sicht Polens keinen Grund für Übergangsfristen beim Zuzug von Arbeitern gebe. In der nun vorgelegten gemeinsamen Position der EU gebe es "Elemente der Flexibilität, die die Eröffnung eines Dialogs erlauben". Die Position werde nun analysiert. Kulakowski wollte nicht darüber spekulieren, welche Positionen sein Land im Gegenzug einbringen könnte. Er ließ auch offen, ob bis zum Außenministerrat in zehn Tagen überhaupt eine polnische Verhandlungsposition vorliegen werde. (APA/red)