Wien - "Das ist kontraproduktiv und täuschend, eine Begriffsverwirrung der Extraklasse", empört sich Christoph Chorherr, Klubobmann der Rathaus-Grünen über die Selbstberühmung der Wienstrom. Diese hatte am Donnerstag ein TÜV-Zertifikat präsentiert, wonach das Unternehmen Strom "aus ökologischer Produktion" herstelle.

"Wie weit ist die Wienstrom gekommen, dass sie fossile kalorische Kraftwerke, die den Treibhauseffekt erhöhen, taxfrei als Ökostrom verkaufen wollen? Warum nicht gleich ein besonders sicheres Atomkraftwerk als Öko verkaufen", fragt sich Chorherr. Der Begriff Ökostrom sei schließlich international "klar definiert" - und werde ausschließlich aus Wind, Sonne, Biomasse, Biogas und Kleinwasserkraft hergestellt.

Für die Kunden einzig relevant sei, dass die Wienstrom 50 Prozent ihrer Stromes selbst produziert und dies "zu 99 Prozent mit fossilen Brennstoffen und in Müllverbrennungsanlagen".

Der jetzt notwendige Schritt sei vielmehr, dass wie im rot-grünen Arbeitsabkommen vereinbart "tatsächlich fossil befeuerte Großkraftwerke auf CO-neutrale erneuerbare Brennstoffe umgestellt werden" - dies sei "eine reale Utopie für die nächsten 20 Jahre".

"Da geht es aber keinesfalls so, dass in einer Müllverbrennung Biomasse zugefeuert wird", betont Chorherr, denn derart werde bereits versucht herumzudeuteln. "Wir haben nun konkret im Auge, in einem der kalorischen Wiener Kraftwerke einen Reservekessel umzurüsten und dort 80 bis 120 Megawatt Strom aus Biomasse zu erzeugen", erläutert Chorherr im STANDARD-Gespräch. Zum Vergleich: In den Kraftwerksblöcken Donaustadt 1 und 2 werden derzeit in etwa je 162 MW Strom erzeugt.

Europa-Vorreiter

Chorherr: "Ein derartiges Biomasse-Kraftwerk wäre die größte Anlage Mitteleuropas - und würde bereits zwei Drittel der angepeilten vier Prozent Ökostrom erfüllen." Der erste wichtige Schritt sei gesetzt - dass nun über das Landes-Elektrizitätswirtschaftsorganisationsgesetz (Elwog) die Refinanzierung für Ökostrom gesichert werden soll und das Vorhaben damit wirtschaftlich rentabel werde.

Aber auch für die restlichen zugekauften 50 Prozent des Wiener Strombedarfes fordert Chorherr die Länder Wien, Niederösterreich und Burgenland auf, die letzte Chance vor der Liberalisierung im Herbst zu nutzen und gemeinsame Lösungen zu finden. Hier ortet er gerade im Umland ein noch großes Potenzial bei der Stromerzeugung in Windkraftwerken. "In Teilen Burgenlands herrschen schließlich Windverhältnisse wie in deutschen Küstenregionen. Daher wäre die Errichtung von 2-MW-Windkraftwerken durchaus sinnvoll." (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 9./10.6.2001)