Gleichzeitig betont Fischer die Bereitschaft seiner Partei, am Aufbau einer Europäischen Sicherheitsarchitektur mitzuarbeiten, und falls diese endgültig stehe, flexibel darauf zu reagieren. Österreich sei durchaus in der Lage, an diesem Prozess als neutraler Staat teilzunehmen. Mit Nachdruck weist Fischer darauf hin, dass es Verfassungsvorbehalte in verschiedenen Staaten der Union gebe.
"Es gibt auch in der irischen und der französischen Verfassung Bestimmungen, auf die beim Integrationsprozess Bedacht genommen wird. Wenn man mit einem EU-Politiker aus einem anderen Land spricht, wird Ihnen kaum jemand sagen, dass sie mit uns wegen der Neutralität Schwierigkeiten haben. Das ist nicht der Fall. Wir sind in der Lage, ein loyales Mitglied der EU zu sein, ohne einem Militärpakt beizutreten." Das habe man der Bevölkerung auch vor dem Beitritt zur EU gesagt und diese Zusage müsse und könne eingehalten werden. Das irische Beispiel, wo nicht zuletzt wegen der doppelzüngigen Vorgangsweise in Sachen Neutralität die Ratifizierung von Nizza abgelehnt wurde, bestärkt Fischer in seiner Haltung.
Wenig hält Fischer von der derzeitigen Diskussion über Neutralität oder Bündnisfreiheit, die er nur als Zwischenschritt in Richtung Nato-Beitritt sieht. "Die Bündnisfreiheit kann ja kein Zweck an sich sein, sondern nur ein Zwischenschritt, um einem Militärbündnis beizutreten. Diejenigen, die uns die Bündnisfreiheit als Alternative zur Neutralität schmackhaft machen wollen, tun das nur, um den Nato-Beitritt vorzubereiten." Angesprochen auf die Position des sozialdemokratischen Europaabgeordneten Hannes Swoboda, der für die Bündnisfreiheit ist, erklärt Fischer: Er habe zwar Verständnis für diese Position, aber "ich sage ihm, wenn du von der Neutralität zur Bündnisfreiheit gehst, dann begibst du dich auf eine schiefe Ebene, wo am Ende der Nato-Beitritt ist. Diese Meinung zu verteten ist durchaus legitim, aber man sollte das offen sagen."
Allein seligmachend
Deutliche Warnungen formuliert Fischer in Richtung Regierungsparteien auch was den Umgang mit der Opposition betrifft. "Die Regierung wäre gut beraten, in sensiblen Fragen wie der ORF-Reform und in solchen, in denen sie die Verfassungsmehrheit braucht, behutsamer vorzugehen." Fischer unterstellte der schwarz-blauen Koalition zwar nicht Autoritarismus, aber "den Glauben, dass man im Besitz der allein seligmachenden Wahrheit ist, und dass man auf die Argumente der anderen nicht mehr hören muss. Wie das ausgeht, hat man bei den Unfallrenten und beim Fall Sallmutter gesehen. Ich gebe der Regierung daher den ernst gemeinten Rat, dort wo sie die Mitwirkung der stärksten Parlamentsfraktion benötigt, zeitgerecht, vernünftig und fair die Fragen anzusprechen. Man kann die SPÖ dort, wo man ihre Zustimmung braucht, nicht wie eine vernachlässigbare Größe behandeln, weil dann im Vorfeld ein Klima entsteht, das den ganzen Entscheidungsprozess mühsamer und weniger chancenreich macht."
Die Rücksichtnahme auf die Opposition sei kein "Gnadenakt, sondern die Regierungsparteien haben zwar 55 Prozent, aber nicht 99 Prozent der Stimmen. Sie haben auf die vom Wähler geschaffene demokratische Realität Rücksicht zu nehmen. Nicht aus Huld und Gnade gegenüber der SPÖ oder den Grünen, sondern aus Vernunft und demokratischer Reife."
Nicht glücklich ist Fischer, wie berichtet, über den Zickzackkurs seiner Partei beim Schulpaket. Davon aber Richtungskämpfe abzuleiten, sei absurd.