Straßburg - Während seit dem irischen "Nein" zur Ratifizierung des Vertrages von Nizza allerorten die vermeintlichen Beweggründe für dieses Votum debattiert werden, wächst der Unmut unter jenen, die für dieses Ergebnis gearbeitet haben. "Eine Beleidigung des irischen Volkes" sei es, wenn diesem nun unterstellt werde, es habe gegen die Erweiterung der EU und gegen den Verlust von finanziellen Zuwendungen aus Brüssel votiert, empörte sich am Mittwoch die EU-Abgeordnete Dana Scallon von der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP). Tatsächlich hätten die Iren gegen den Vertrag von Nizza gestimmt, assistierte ihr in einer gemeinsamen Pressekonferenz am Rand der Sitzung des Europäischen Parlaments Patricia McKenna von den Europäischen Grünen: "Dieser Vertrag muss neu verhandelt werden." Die Iren hätten keineswegs gegen de EU-Erweiterung gestimmt, bekräftigte McKenna: "Wir wollen nicht, dass den osteuropäischen Staaten die Tür vor der Nase zugeschlagen wird, während die Großen und Starken innerhalb der EU weitermachen wie bisher." Gegen verrauchte Hinterzimmer Tatsächlich hätten sich die Iren mit ihrem Votum gegen weitere Abtretungen ihrer Souveränität an ein Europa ausgesprochen, dessen Entscheidungen nach wie vor von den Regierungschefs "in verrauchten Hinterzimmern" getroffen würden, wofür gerade Nizza "ein schlimmes Beispiel" gegeben habe, konkretisierte die Grün-Abgeordnete Nuala Ahern die Hauptkritikpunkte der irischen Nizza-Gegner. Die Ablehnung der Iren habe sich unter anderen gegen die im Vertrag von Nizza enthaltene Verpflichtung gerichtet, Truppen für die schnelle Eingreiftruppe der EU bereitzustellen, was den neutralen Status des Landes gefährde. Umso "schockierender" sei nun das Ansinnen der irischen Regierung, die Abstimmung einfach ohne irgendwelche Änderungen zu wiederholen. Dass es auch innerhalb der irischen EVP-Abgeordneten zu diesem Thema durchaus unterschiedliche Auffassungen geben kann, beweist Avril Doyle von der irischen Oppositionspartei Fine Gael und EVP-Fraktionskollegin von Dana Scallon: "Die wirkliche Frage ist, warum so viele zu Hause geblieben sind", erinnert Doyle, die im Gegensatz zu Scallon für ein Ja zum Nizza-Vertrag gestimmt hat, im Gespräch mit der APA an die niedrige Wahlbeteiligung von nur 33,7 Prozent. Tatsächlich hätten dadurch nur 19 Prozent der stimmberechtigten Iren gegen Nizza votiert. Die EU-Gegner hätten bei der Bevölkerung allerdings höchst erfolgreich Ängste geschürt, wogegen die Regierung und die vielen pro-Nizza eingestellten gesellschaftlichen Gruppen einfach "zu wenig gearbeitet" hätten, um die Bevölkerung zu überzeugen. Auch das Argument der Aushöhlung der irischen Neutralität durch eine Beteiligung an der EU-Eingreiftruppe greift für Doyle nicht: "Das ist genau dasselbe wie das, was Irland bereits jetzt im Rahmen der UNO macht - und auch da muss jede einzelne Mission von der irischen Regierung sanktioniert werden." Neben einer aktiveren und umfassenderen Information der Bevölkerung liegt eine Möglichkeit der Mobilisierung der Bevölkerung für Doyle auch in der Wahl des Termins für eine neuerliche Volksabstimmung: "Sie könnte mit den Parlamentswahlen zusammengelegt werden, die bis Juni 2002 stattfinden müssen. Damit könnte man eine höhere Beteiligung erreichen." (APA)