Andere äußere Wirklichkeiten bedingen andere Filme: In Burkina Faso etwa hat das Kino mitunter noch ganz klassische aufklärerische Funktionen. Und wenn Fanta Régina Nacro, die erste Regisseurin des westafrikanischen Staates, in Le truc de Konaté (Konatés Ding) ihren verunsicherten Helden auf die Suche nach dem Baum schickt, auf dem die Kondome wachsen, dann ist diese entspannte Satire auf vermeintlich bedrohte Männlichkeit auch ein wichtiger Beitrag zur Aids-Prävention, den Wanderkinos bis in die entlegensten Dörfer tragen. Auch das Internationale Film Festival Innsbruck leistet mit Beiträgen wie diesem seit nunmehr zehn Jahren wichtige Aufklärungsarbeit - und zwar in Sachen (Erzähl-)Kino aus Lateinamerika, Asien und Afrika. Auch heuer werden noch bis Sonntagnacht rund vierzig Lang- und Kurzfilme aus diesen im täglichen Spielbetrieb marginalisierten Kinokulturen aufgeführt, zwei Drittel davon erleben ihre Österreich-Premiere - in durchwegs übervollen Kinosälen. Filme, die - so berichteten neben Nacro Produzentinnen und Regisseure aus Argentinien und Usbekistan in einem Pressegespräch am Freitag - auch in ihren Entstehungsländern beachtliche Publikumserfolge erzielen: In Argentinien etwa sei es innerhalb der vergangenen vier Jahre nicht nur gelungen, mithilfe einer gesetzlich neu geregelten Abgabepflicht auf TV- und Videorechte beziehungsweise Kinoeintritte, deren Erträge in einen Filmfonds fließen, die Produktion von knapp einem Dutzend auf 50 bis 60 Filme pro Jahr anzukurbeln. Man habe, so der Regisseur Rodrigo Fürth (Toca para mi/Spiel für mich), auch "Hollywood zehn Prozent des argentinischen Publikums geklaut" und der Zuschaueranteil argentinischer Filme liegt nun wieder bei ca. 20 Prozent. Zeit der Frauen Besondere Aufmerksamkeit gilt im heurigen Festivalprogramm außerdem den "Frauen hinter der Kamera", deren Filmerzählungen häufig auch speziell den Alltag von Frauen thematisieren: So lässt die tunesische Cutterin und Regisseurin Moufida Tlatli (Das Schweigen des Pa- lastes) in Zeit der Männer, Zeit der Frauen (La Saison des Hommes) in elliptischen Verzahnungen von Vergangenheit und Gegenwart das Leben dreier Generationen Revue passieren. Ähnlich wie im episodischen Drama The Day I Became A Woman (Roozi ke zan shodam) der iranischen Filmemacherin Marziyeh Meshkini führt das vorsichtige Beharren auf Eigenständigkeit zwangsläufig zu tiefen Konflikten mit den männlich dominierten kulturellen Traditionen und ihren Geschlechterhierarchien. Fanta Régina Nacro dagegen kann für ihre kurzen Filme einen eher leichtfüßigen, heiteren Zugang wählen, um soziale Realität oder Konventionen zu hinterfragen. Und so kehrt ihr Held am Ende beschwingt, von allen Ängsten geheilt, mit Kisten voller Latexhütchen Marke "Vorsicht" nach Hause zurück. Isabella Reicher - DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 16./17.06.2001