Wien - "Die Diskussion über die Knappheit an Arbeitskräften geht am eigentlichen Problem vorbei", sagt Arbeitsmarktexpertin im Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo), Gudrun Biffl im Gespräch mit dem STANDARD. Ob bis 2005 nun 80.000, 120.000 oder mehr Leute fehlen, hänge von der Konjunktur und von der praktizierten Erhebungsmethode ab. Das wahre Problem: Das Land hat nicht genug bestqualifizierte Menschen, um künftig hohe Produktivität und Wertschöpfung sicherzustellen. Dafür gibt es aber viele niedrig Qualifizierte. "Es fehlen die richtigen Qualifikationen", folgert Biffl. Das Bedenkliche: Von den Jungen wächst zu wenig nach. In Österreich gebe es vergleichsweise viel zu wenige universitätsreife Jugendliche, selbst wenn man alle MaturantInnen der allgemeinen höheren und der berufsbildenden höheren Schulen (AHS und BHS) zusammenzähle. "Hier kommt nicht wahnsinnig viel nach", weiß die Expertin, die sich zuletzt auch intensiv mit dem Bildungswesen auseinander setzte. Firmen werden doppelt zahlen Kritisch sieht die Expertin und Mutter bereits erwachsener Kinder, in diesem Zusammenhang das neue Kinderbetreuungsgeld. Es könnte gerade die besser qualifizierten und damit auch besser verdienenden Frauen dazu motivieren, ihre Arbeitszeit zurückzuschrauben, um nicht das Kindergeld zu verlieren. Biffl baut aber darauf, dass die Unternehmen - die über ihre Beiträge zum Familienlastenausgleichsfonds (Flaf) das neue Geschenk an die Eltern ja finanzieren - hoch qualifizierten Müttern halt mehr Geld anbieten werden. Insgesamt glaubt Biffl, dass die Arbeitszeit der Frauen ("Arbeitsvolumen") durch das neue Kindergeld sinken wird, dafür aber mehr Mütter berufstätig werden. "Der Trend zu atypischen Beschäftigungsverhältnissen wird sich verstärken." Permanente Höherqualifizierung versäumt In den letzten Jahren wurde in Österreich die permanente Höherqualifizierung von Menschen versäumt, die bereits eine gute Ausbildung haben. "Das wurde in den letzten Jahren vom Arbeitsmarktservice völlig heruntergefahren, weil alles nur mehr in die Umschulung der Niedrigstqualifizierten ging." Als Ausweg schlägt Biffl vor: niedrig qualifizierte Arbeitskräfte für Firmen billiger machen, indem sie mit weniger Abgaben belastet werden. Gleichzeitig müsse mehr in die Weiter- und Umbildung gut Qualifizierter investiert werden. Besonders arg sei es im Pflegebereich. "Alle wissen, dass der Pflegebedarf steigt." Aber bei der Ausbildung von Krankenschwestern schaue jedes Krankenhaus nur auf sich. Die berufliche Mobilität der Krankenschwestern wird erschwert, weil jedes Bundesland eigene Ausbildungskriterien und Qualitätsstandards hat. (Lydia Ninz, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.06.2001)