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Wien - "Steuerreform" ist eine Art Zauberwort der politischen Diskussion: Wer den Begriff besetzt hat, rechnet üblicherweise mit dem Dank der Wähler. Schon der Nationalökonom Joseph A. Schumpeter schrieb in seiner "Krise des Steuerstaates" (1918): "Der Steuerstaat darf den Leuten nicht so viel abverlangen, dass sie das finanzielle Interesse an der Produktion verlieren oder doch aufhören, ihre beste Energie daranzusetzen." Kurz danach wurde er Finanzminister (1919-1920), aber von Steuersenkung konnte in der Inflationszeit unmittelbar nach dem Weltkrieg keine Rede sein. Dennoch wurde die Steuersenkung zu einem stets wiederkehrenden Element vor allem konservativer Politik. Erfolgreich eingesetzt wurde sie unter Richard Kamitz ab 1952. Ihm gelang es in seinen acht Amtsjahren, die Wirtschaft im Jahresschnitt um stattliche 6,8 Prozent wachsen zu lassen: Einkommensteuersenkungen kurbelten die Massenkaufkraft an, während großzügige vorzeitige Abschreibungen gewinnmindernd und investitionsfördernd wirkten. Allerdings zog Kamitz die Schraube bei der Körperschaftsteuer an. Die bedeutendsten Steuersenker Kamitz war der bedeutendste Steuersenker, dennoch waren die Staatseinnahmen 1958 nach seiner letzten Steuersenkung um 61,7 Prozent höher als 1953 vor der ersten. Die These, dass sich Steuersenkungen quasi von selbst finanzieren, ist seither das Credo der ÖVP, auch wenn sich die Niedrigsteuerpolitik in der Wirtschaftskrise von 1967 nicht wirklich bewährte. Der Wirtschaftsprofessor Stephan Koren (Finanzminister 1968-1970) kam um einen "großen Paukenschlag" mit zahlreichen Sondersteuern zur Budgetsanierung nicht herum. Korens Steuererhöhungen mögen zum Wahlverlust der ÖVP 1970 ebenso beigetragen haben wie die Ankündigung von Steuererhöhungen ("Mallorca-Paket") zur Niederlage Bruno Kreiskys 1983. Sicher ist das nicht: Die ÖVP verschrieb sich in diesen Oppositionsjahren (wie dann auch später in der großen Koalition) ganz dem Thema Steuerreform. Der politische Erfolg ist zu bezweifeln: Denn die wahlberechtigte Bevölkerung verstand schon 1985 (so eine Fessel-Umfrage) unter Steuerreform zu 35 Prozent "Steuererhöhung" und nur zu neun Prozent "Steuersenkung". Man weiß seit Kamitz' Zeiten von der Undankbarkeit der Wähler: Nach der Steuersenkung 1958 verlor die ÖVP prompt die relative Mehrheit und konnte nur aufgrund des wahlarithmetischen Glücks den Kanzler halten. (DER STANDARD Print-Ausgabe, 19. 6. 2001)