Wien - Gute Plakatpicker, gegen "wilde" Plakatpicker - so einfach ist die Sache nicht, es geht um Geld, eine zerstrittene Branche und einen Interessenskonflikt in der SPÖ.

Von hinten: Die SPÖ scheint im Dilemma, weil Parteifreunde im größten Wiener Plakatierunternehmen, der Gewista, ein kleines "Wildplakatier"-Unternehmen wegen Wettbewerbsverzerrung klagen lassen. Die insgesamt rund zehn "wilden" Plakatier-Firmen in Wien haben vor allem die freie Kunst- und Kulturszene als Kunden, deren Werbeplakate sie auf Schaltkästen oder Lichtmasten anbringen. Diese illegale, aber seit vielen Jahren tolerierte Art des Plakatierens könnte mit der Gewista-Klage bald der Vergangenheit angehören - "sehr zum Schaden von Künstlern, Veranstaltern und Musikern", wie Brigitte Bergelt, die geklagte "Wildplakatiererin", argumentiert.

SPÖ-Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny will freilich "alles versuchen, damit kleine Kulturbetriebe auch weiterhin umfassend werben können", wie er dem STANDARD ausrichten ließ. Nur wie und was er dafür zu tun vermag - das konnte er dabei noch nicht sagen.

Bei den Kleinplakatierern ist jedenfalls Feuer am Dach. Wenn die am 28. Mai beim Wiener Handelsgericht eingereichte Klage wegen Wettbewerbsverzerrung (die "Wilden" zahlen keine Gebrauchsabgabe) gegen Brigitte Bergelt durchgeht, ist die Gewista nahezu konkurrenz- und die "Wilden" sind bald arbeitslos. "Es ist von der Gewista taktisch klug, nur einen als Präzedenzfall herauszugreifen", erklärt Christoph Neuer vom freien Wirtschaftsverband, "die Branche ist schlecht organisiert" - und zerstritten.

Kabarettist Norbert Peter vom Duo Peter & Teutscher sieht bei der Gewista zu geringe Flächenkapazität, um die nun bedrohten Freiflächen wettzumachen. Kleinkünstler würden "übrig bleiben". Dem schließt sich Peter Fröstl, Manager von Wolfgang Ambros, an: Nicht einmal die großen Austropopper könnten mehr werben. Andrea Fendrich, Managerin von Reinhard, fürchtet um die Plakatwerbung für die Herbsttournee.

Bergelt will in der Kunst-und Kulturszene mobilisieren. Politische Unterstützung kommt von den Grünen: Kultursprecherin Marie Ringler "will nicht illegale Zustände schönreden, aber durch die Klage droht eine Kriminalisierung des öffentlichen Raums - unerhört".

Heute, Freitag, Vormittag wird Gewista-Geschäftsführer Karl Javurek-Steiner mit der Präsentation eines Angebots für Künstler am Markt auftreten: "Entlang der Zweierlinie werden neue, attraktive Werbeflächen an Lichtmasten entstehen, leistbar für kleine Künstler", verriet er Javurek-Steiner vorweg dem S TANDARD . Und: "Das Wildplakatieren hat dann dort ein Ende."(DER STANDARD, Print-Ausgabe 22. 6. 2001)