Brüssel - Der schwedische Ministerpräsident Göran Persson blickt mit gespaltenen Gefühlen auf die erste EU-Präsidentschaft seines Landes zurück. "Wir könnten sehr zufrieden über das Erreichte sein," meinte er nach dem EU-Gipfel in Göteborg, wäre da nicht die "Tragödie" der gewalttätigen Ausschreitungen in der Innenstadt gewesen. Es waren vor allem die Bilder vermummter Randalierer, die Polizisten angriffen, brennende Barrikaden errichteten und Auslagenfenster mit Pflastersteinen zertrümmerte, die von dem sonst eher ergebnisarmen Gipfeltreffen in Erinnerung bleiben werden. Das ist allerdings nicht die Schuld der schwedischen EU-Präsidentschaft. Denn einen Teil der Ernte hatten die Schweden schon vor der Konferenz eingefahren, die den glanzvollen Höhepunkt ihres halbjährigen Vorsitzes bilden sollte. Von den drei "E" (employment, environment, enlargement), die das eher als Europa-skeptisch geltende Land zu den Schwerpunkten seiner EU-Präsidentschaft erhoben hatte, ist es bei zweien, nämlich Erweiterung und Umwelt, gut vorangekommen. "Schweden hat sein Pensum sogar übererfüllt" So konnte noch vor Göteborg ein lähmender Streit mit Spanien über die künftige Verteilung der EU-Regionalförderungen entschärft werden. Selbst wenn Madrid wieder darauf zurückkommen sollte, ist es den Schweden mit immer neuen Kompromissvorschlägen doch gelungen, die Zeitbombe vorerst zu entschärfen. Damit konnte eines der schwierigsten Verhandlungskapitel mit den Kandidatenländern, nämlich der Zuzug von Arbeitnehmern nach dem Beitritt, eröffnet werden. Ungarn und Litauen willigten auch bereits in die von Deutschland und Österreich zur EU-Position gemachte Forderung einer siebenjährigen Übergangsfrist ein. "Schweden hat bei der Erweiterung sein Pensum sogar übererfüllt", würdigte ein hoher deutscher EU-Diplomat den Durchbruch. Schweden konnte in Göteborg auch gegen den anfänglichen Widerstand Deutschlands und Frankreichs durchsetzen, dass den fortgeschrittensten EU-Kandidaten erstmals das "Ziel" in Aussicht gestellt wurde, 2004 der EU anzugehören. Diese, wenn auch mit einigen "Wenn und Aber" versehene Zusage war dringend notwendig, um der wachsenden Frustration in den Kandidatenländern entgegen zu wirken und wurde entsprechend erleichtert begrüßt. "Nachdenkpause" für Iren Einen dicken Strich durch die Rechnung hat den Schweden dagegen das irische Nein zum EU-Reformvertrag von Nizza gemacht. Weder der irische Ministerpräsident Bertie Ahern noch die konsternierten EU-Partner hatten in Göteborg ein Patentrezept parat, um wieder aus der Sackgasse herauszukommen. Denn ohne Nizza-Vertrag, so der derzeitige Konsens, kann auch die Erweiterung nicht planmäßig abgewickelt werden. Den Iren wurde zunächst einmal eine "Nachdenkpause" zugestanden. Erstmals widmeten die EU-Chefs einer nachhaltigen Umweltstrategie eine ausführliche Erklärung in ihren gemeinsamen Schlussfolgerungen. Darauf hatte Schweden erfolgreich gedrängt. Auch wenn der Text nicht spektakulär klinge, die nachfolgenden Generationen würden es der EU eines Tages danken, dass künftig rücksichtsvoller mit den natürlichen Ressourcen umgegangen werden soll, meinte Persson. Ebenso wie bei der Beschäftigung und der Wirtschaft will sich die EU auch im Umweltbereich konkrete Ziele für die kommenden Jahre stecken. Als schwieriges Erbe hinterlässt Stockholm den Belgiern in außenpolitischer Hinsicht den ungelösten Konflikt mit der Türkei, die nach wie vor das wichtigste integrationspolitische Projekt der EU im Sicherheitsbereich blockiert, nämlich die Zusammenarbeit mit der NATO bei künftigen militärischen Kriseneinsätzen. Zu den Überbleibseln im Wirtschaftsbereich gehört das Gemeinschaftspatent. (APA)