Wien - Zu einer Kontroverse über die sogenannten Sanktionen der EU-14 gegen die ÖVP/FPÖ-Regierung im Vorjahr ist es bei einer Konferenz über "Extremismus in der Demokratie" in Wien gekommen. Während der Europarechtler Jose Maria Beneyto Perez von der Universität Madrid die Maßnahmen am Donnerstag als "sehr klares, positives Signal der EU-Regierungen" verteidigte, beschuldigte der Politologe Brendan O'Leary von der London School of Economics insbesondere die sozialdemokratischen Regierungen in der EU, in einer "engstirnigen parteilichen Art und Weise" gehandelt zu haben. Der internationale Direktor der Anti Defamation League (ADL), Kenneth Jacobson, betonte, FPÖ-Altparteiobmann Jörg Haider sei "bis vor kurzem" zwar nicht als "antisemitisch" oder "neonazistisch" zu charakterisieren gewesen, wohl aber als "fremdenfeindlich und rassistisch". Laut Jacobson gibt es kein Patentrezept gegen Extremismus. Im Falle Österreichs habe die ADL versucht, den Dialog mit jenen 73 Prozent der Wähler zu forcieren, die bei der letzten Nationalratswahl 1999 nicht für die FPÖ stimmten. O'Leary betonte, die Tatsache, dass Österreich ein kleines Land in der EU sei, habe bei den Sanktionen sehr wohl eine Rolle gespielt. Dies sei auch ein grundlegendes Problem für die Zukunft der Union, da sich kein kleines Land von den größeren "tyrannisieren" lassen wolle. Dem widersprach Beneyto Perez: Die Maßnahmen wären gegebenenfalls auch gegen Spanien, Portugal oder Deutschland verhängt worden. Auch der so genannte Weisenratsbericht zu Österreich habe festgehalten, dass die europäischen Regierungen eine Pflicht hätten, die Menschenrechte nicht nur zu schützen, sondern auch zu fördern. Ergebnis dieser Bemühungen sei etwa der Artikel 7 im EU-Vertrag von Nizza, der ein künftiges Reglement bei der Verletzung europäischer Werte durch ein Mitgliedsland vorsieht. Nach Ansicht des norwegischen Philosophen Andreas Föllesdal zeigte das Beispiel Österreich, dass die EU "klare und konsequente Regeln" für derartige Fälle braucht. "Wertekluft" Einigkeit herrschte unter den Diskussionsteilnehmern nur in einem Punkt: Demokratie braucht eine stärkere Bürgergesellschaft, um gegen Extremismus auftreten zu können. Die einzelnen Bürger sowie regierungsunabhängige Organisationen müssten stärker gegen extremistische Gruppen vorgehen, forderte Jacobson. "Wir müsse mit einem neuen Konzept einer aktiven Bürgerschaft reagieren", sagte Beneyto Perez. Denkbar sei etwa die Zulassung mehrerer Staatsbürgerschaften für Bürger der Europäischen Union. Für O'Leary zeigt insbesondere der Nordirland-Konflikt, dass die Isolierung von Extremisten "keine kluge Strategie ist". Der Erfolg des Karfreitagabkommens liege in der Einbindung der Irisch-Republikanischen Armee und der probritischen Loyalisten. Marcus Mabry vom Europa-Ressort des amerikanischen Nachrichtenmagazins "Newsweek" warnte die neue US-Regierung von Präsident George W. Bush, dass sie durch die "Wertekluft" zwischen Amerika und Europa die moralische Grundlage für ihre weltweite Führungsrolle verlieren könnte. Er kritisierte insbesondere die Todesstrafe in den USA, die Absage an das Klimaschutzabkommen von Kyoto durch Bush sowie die anhaltende Diskriminierung von Schwarzen und Homosexuellen in den Vereinigten Staaten. Die scheidende US-Botschafterin Kathryn Walt Hall dankte zum Auftakt der Konferenz dem österreichischen Sonderbotschafter für Restitutionsfragen, Ernst Sucharipa, für die Einigung zur Zwangsarbeiterentschädigung. "In meinen Augen sind sie ein richtiger Held für Österreich", würdigte sie Sucharipa. Die zweitägige Veranstaltung "Testing Democracy At The margins: A Transatlantic Dialogue On 'Extremism" In Democracy" wird gemeinsam von der US-Botschaft in Wien und der Diplomatischen Akademie veranstaltet. (APA)