Wie viel Toleranz muss die Demokratie für die Intoleranz aufbringen? Auf einem zweitägigen Symposium der amerikanischen Botschaft in Wien vertieften sich mehr als zwei Dutzend Politexperten in einen transatlatischen Dialog über ,Extremismus‘ in der Demokratie. Wien - Die FPÖ war vom Anfang an dabei und blieb es bis zum Schluss. Nicht nur in Gestalt ihres Parteihistorikers Lothar Höbelt, der leibhaftig am Podium saß, sondern auch als immer wiederkehrendes Debattenthema eines zweitägigen Symposiums in der Wiener Diplomatischen Akademie, mit dem sich die scheidende US-Botschafterin Kathryn Walt Hall von Österreich verabschiedete. "Testing Democracy at the Margins", also etwa "Die Erprobung der Demokratie von ihren Grenzen her", hieß die zusammen mit dem Wiener "Institut für die Wissenschaften vom Menschen" konzipierte Veranstaltung mit Teilnehmern aus 14 Ländern. Walt Hall stellte gleich zu Beginn bescheiden fest, dass auch die Amerikaner keineswegs auf alle Fragen in diesem Kontext die Antwort wüssten: In welchem Ausmaß die Demokratie Intoleranz zu tolerieren habe, und wie verhindert werden kann, dass die Mehrheit die Minderheit mit legalen Mitteln unterdrückt. Der Newsweek-Journalist Marcus Mabry, der den Keynote-Speech für den Reigen der Podiumsdebatten mit gut zwei Dutzend Experten lieferte, erbrachte denn auch gleich den Nachweis, dass auch in den USA demokratiepolitische Wünsche offen bleiben: Als homosexueller schwarzer Amerikaner aus unterprivilegierter Schicht so etwas wie ein wandelnder Prüfstein für die Toleranz der "moral majority", wusste er wenig Erfreuliches aus seinen Jugendjahren zu berichten. In Frankreich habe er sich "erstmals als Mensch" gefühlt, meinte Mabry, wobei er nach einiger Zeit des dortigen professionellen Aufenthaltes freilich die Erfahrung machte, dass es auch manchem Franzosen im Umgang mit seinen arabischstämmigen Landsleuten stark an Toleranz gebricht. Gutes Zeugnis

Kenneth Jacobson, internationaler Direktor der Anti-Defamation League in New York, stellte den Amerikanern ein gutes Zeugnis aus. Es gebe in den USA Extremisten und die nicht zu knapp, doch hielte sich der Zuspruch zu ihnen in Grenzen, und dort, wo sie wirklich gefährlich würden, da setze ihnen die Bürgergesellschaft ausreichend Widerstand entgegen. Einigkeit herrschte an einem Politologen-Panel über Wahlrecht und Extremismus: Das erste kann kein adäquates Mittel sein, um den zweiten in den Griff zu bekommen. Als Gegenbeispiel zur These, dass das Mehrheitswahlrecht Extremisten politisch das Wasser abgrabe, führte Anton Pelinka das Beispiel Indien an. Und überhaupt: Soll man Extremisten überhaupt ausgrenzen - oder ist es besser, sie in den politischen Mainstream zu inkorporieren, wie dies nach Meinung des irischen Politologen Brendan O’Leary in Irland mit noch ungewissem Resultat geschehen ist? Höbelt meinte in einer hitzigen Debatte mit dem deutschen Soziologen Claus Leggewie, dass es im Wesen des veritablen Extremisten liege, sich nicht eingemeinden zu lassen - und dass definitorische Festlegungen von "Extremismus" schlechthin problematisch seien und oft ein banales "Good guy - Bad guy"-Denken verrieten. Leggewie meinte, in Österreich sei noch keineswegs entschieden, wer hier wen inkorporiere: Ob die ÖVP die FPÖ zähmen oder vielmehr unter dem Einfluss ihres Koalitionspartners "verhaidert" werde. Die Entwicklung des vergangenen Jahres und besonders die Politik von Justizminister Böhmdorfer stimme ihn keineswegs zuversichtlich - Wolfgang Schüssel spiele ein "gefährliches Spiel". (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 30.6./1.7.2001)