Klagenfurt - Klagenfurt ist "die Mutter aller Literatur-Schlachten", wie die Kommentatoren jahrelang anmerkten. Zwar war 2000 Bewegung in die Veranstaltung gekommen, als die Bachmann-Erben nach der Regierungsbeteiligung der FP den Veranstaltern untersagt hatten, den Namen ihrer Schwester weiter für den Wettbewerb zu benutzen. Der mit 300.000 Schilling dotierte Hauptpreis der Veranstaltung trägt aber weiterhin den Namen der Dichterin. So findet heuer zum 25. Mal unter der etwas komplizierten Bezeichnung "Ingeborg Bachmann Preis im Rahmen der Tage der deutschsprachigen Literatur" das Klagenfurter Wettlesen statt. "Die Hunde bellten, die Karawane zog weiter", merkte der Juryvorsitzende Robert Schindel an. Das stimmt, und zwar immer in dieselbe Richtung. Zwar wurden kleine Veränderungen an der Jury vorgenommen, Thomas Widmer (CH) und die Deutsche Birgit Vanderbeke, Bachmann-Preisträgerin 1990, sind neu, die Wiener Germanistin Konstanze Fliedl ist wieder dabei. Die Chemie mit Burkhard Spinnen, Robert Schindel, Denis Scheck und Elisabeth Bronfen scheint zu stimmen: Der Umgangston ist unpolemischer als zuletzt. Das ist nicht jedermanns Gusto: Schon nach den ersten Lesungen wurde gemunkelt, die Kritiker seien zu zahm. Doch einerseits werden Profilierungskämpfe hintangestellt, andererseits berücksichtigen die Juroren, dass es, wie Schindel einmal meinte, "immer einfach ist, mit dem Arsch von andern Leuten durchs Feuer zu gehen". Trotzdem ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich die Autoren im Medienspektakel weiterhin bei bestem Büchsenlicht auf der Lichtung des ORF-Theaters präsentieren. Seit einigen Jahren haben zwar die Juroren die Texte schon vorab zur Verfügung, doch die Abweichungen zwischen den Urteilen sind immer noch beträchtlich. Augenfällig wurde dies bei der Literaturbetriebssatire Norbert Müllers, die von einem Autor handelt, dessen Katastrophen eingebildete sind. Der Protagonist des Textes erinnerte Denis Scheck an den "permanenten Sorgengenerator Donald Duck"; Bronfen hörte Fräulein Else anklingen, und Widmer begab sich auf eine "Reise ins Herz der Hysterie". Schließlich tat man das, was man stets tut: zückte den Messstab von Kafka, Mann, Bernhard. Nicht so differenziert ging man mit Ute-Christine Krupps zwischen Köln und Tokio oszillierendem Text um, den man harsch zauste, während man bei Brigitte Schär jäh zurücksteckte. Schlecht erging es auch Ludwig Laher, dem einzigen Österreicher im Feld, dessen musikalischer Text sich mit den negativen Aspekten der Globalisierung auseinander setzte. "Globalisierungsvernaderung" meinte Scheck, "predigerhaft und überraschungslos" Spinnen, denn auch die Gemeinde wisse am Sonntag, "dass der Pfarrer am Ende der Predigt gegen die Sünde sein wird." Betriebssysteme Die 1974 in Potsdam geborene Antje Rávic Strubel hingegen legte mit ihrer kühl-traurigen Dreiecksgeschichte in einer DDR, die nicht untergehen will, mehr als eine Talentprobe vor und kann sich gute Chancen ausrechnen. Man braucht auch kein Prophet zu sein, um zu sagen, dass der 37-jährige Münchner Michael Lentz gute Karten für das Rennen um den Hauptpreis hat: Sein fulminanter Text "Muttersterben" über den langsamen Tod einer Frau überzeugte allgemein. Lentz setzt Bilder, bildet Sätze, spannt vom "Betriebssystem Mutter" aus Assoziationsfäden, die er kappt und anderswo wieder fest macht. Doch alles ist offen. Selten übrigens war Ingeborg Bachmann, die dieser Tage 75 Jahre alt geworden wäre, so präsent wie heuer. Heimlich, still und leise wird gerade Ingeborg Bachmanns Geburtshaus, das von der Stadt Klagenfurt nicht gekauft wurde, abgerissen. Natürlich wird man sagen, das Geld für einen Kauf fehlte; hingegen ist auch die im August stattfindende Beach-Volleyball-Weltmeisterschaft nicht billig auszurichten. Aber was vermag spröde Dichtung wider den Freiluftsport? (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30. 6. / 1. 7. 2001)