Es sind nur ein paar Hausnummern, aber sie bedeuten einen historischen Schritt: Die neue österreichische Botschaft in Berlin befindet sich unweit jener Adresse Bendlerstraße 15, an der die Erste Republik ihre Gesandtschaft in Deutschland unterhielt, die sich mit dem Anschluss im Jahr 1938 erübrigte. Das neue, von Hans Hollein entworfene Gebäude liegt in derselben Straße, die nun allerdings den Namen des wichtigsten deutschen Widerstandskämpfers trägt: In der Stauffenbergstraße manifestiert sich die Überwindung des Faschismus und die Berliner Gedenkkultur. Österreichs neue offizielle Adresse lautet Tiergartenstraße 12, aber die Seite zur Stauffenbergstraße liegt keineswegs nach rückwärts, sondern verbindet das Terrain besonders stark mit der Geschichte Berlins. Die Bundesimmobiliengesellschaft hat sich einen markanten Ort gesichert, unmittelbar an der Erholungslandschaft des Tiergarten und an der Rückseite des Kulturforums und der Philharmonie von Hans Scharoun. Hollein konnte sich mit seinem 1998 bei einem Wettbewerb siegreichen Entwurf auch ein wenig dafür schadlos halten, dass er schon 1983/84 das Internationale Gutachterverfahren Kulturforum gewonnen hatte. Sein damaliges Konzept geriet aber in die Mühlen der Baubürokratie und wurde 1989 aufgrund der neuen städtebaulichen Situation zu den Akten gelegt. Das Botschaftsgebäude liegt auf der Rückseite jenes ehemaligen Westberliner Kulturareals, womit es das anschließende Diplomatenviertel eröffnet, und zwar durchaus vorwitzig. Schon das Grundstück weist mit seiner nordöstlichen Spitze deutlich in das Regierungsviertel. Hollein betont diese Tendenz noch, indem er in diese Richtung die zentrale Idee seines Baus orientiert: Ein "skulptural-expressives" grünes Kupferdach, das sich wie eine lockere Fönfrisur über die eigentlichen Botschaftsräume legt. Nach Osten liegt die Konsularabteilung, deren ruhige Fassade ihren Eigenwillen diskret durchsetzt, um die behördlichen Vorgänge nicht zu stören. Nach Westen weisen in einem stark differenzierten Block die Wohnräume des Botschafters. In direkter Nachbarschaft liegen die Vertretung des Landes Baden- Württemberg und die Botschaft Ägyptens, an der noch gebaut wird. Für Österreich erweist sich die Tatsache eines Neubaus als Glücksfall, in dem sich auch das Selbstverständnis der Zweiten Republik bekundet: Das Land kann sich an einem historisch markanten Ort gänzlich neu entwerfen, während zum Beispiel die ehemaligen Achsenmächte Italien und Japan ihre von deutschen Architekten errichteten und im Krieg weitgehend zerstörten Botschaftsgebäude in einer konservativen Weise wiederherstellen mussten. Österreich dagegen stellt sich mit seiner Vertretung bei der neuen europäischen Großmacht auch architektonisch in eine Assoziationslinie mit Ländern wie den nordischen, deren aufsehenerregende Botschaften unweit des Hollein-Baus liegen. Eine politische Semantik liegt vielleicht in der Weise, wie Hollein die Teile seines Gebäudes integriert hat: Gesten der Verbindlichkeit nach allen Seiten ergeben insgesamt einen diplomatischen, aber selbstbewussten Auftritt. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5. 7. 2001)